Geschrieben am 9. April 2014 von für Musikmag

Blitzbeats

Kurze Rezensionen neuer Platten von und mit Beyond Addis und EMA, vorgestellt von Christina Mohr.

various_BEYOND-ADDIS_CoverSanfte Schwermut

Hätte ich eine Kaffeebar, würde dort den ganzen Tag der Sampler “Beyond Addis” laufen – so positiv klingt die Musik, die mich sofort in die Klischeefalle tappen lässt: fröhlich, optimistisch und rhythmusbetont sei afrikanische Musik, immer heiter, immer happy. Dass das keineswegs immer zutrifft, ist eine Binse, die an dieser Stelle nicht weiter geflochten werden kann. Die genannte Compilation allerdings ist mal wieder ein ganz besonderes Schätzchen aus dem Hause Trikont: zusammengestellt vom Gitarristen, Producer, Globetrotter und leidenschaftlichen Plattensammler Jan Weissenfeldt alias JJ Whitefield.

Seine eigene Laufbahn (u. a. The Whitefield Brothers) ist stark von afrikanischen Klängen beeinflusst; „Beyond Addis“ zollt seiner Liebe zur äthiopischen Musik Tribut: besonders begeistert ist Whitefield von Mulatu Astatke, dem aus Addis Abeba stammenden Fusion-Pionier, dessen Platten aus den frühen 1970ern auch hierzulande hochbegehrt sind.

Die raue Mixtur aus Funk, Soul, Jazz und traditioneller äthiopischer Musik inspiriert bis heute Bands aus aller Welt, eine knackige Auswahl hat Whitefield auf „Beyond Addis“ zusammengetragen: von den Heliocentrics aus London über das elfköpfige Berliner Woima Collective, Les Frères Smith aus Paris, das britisch-kolumbianische Gemeinschaftsprojekt Transgressors bis zur australischen Afrobeat-Instrumentalband The Shaolin Afronauts sind insgesamt vierzehn zeitgenössische Acts vertreten, die auf individuelle Weise typische Addis-Elemente einsetzen: Trompete, Klarinette, Klavier, Vibraphon und die charakteristische, orientalisch angehauchte Rhythmik äthiopischer Musik, die eine sanfte Schwermut hervorbringt und doch insgesamt optimistisch wirkt, siehe oben. Mein Lieblingstrack: „Ethio“ von Shawn Lee´s Ping Pong Orchestra aus Wichita, Kansas.

Beyond Addis: Contemporary Jazz & funk Inspired by Ethiopian Sounds from the 70’s (Trikont)

ema_thefuturesvoidDunkle Zukunft

Erika M. Anderson aus South Dakota liebt mehrdeutige Wortspiele, schon ihr KünstlerInnen-Alias EMA kann vom Frauennamen über die European Music Awards bis zum japanischen Pferdebildchen alles mögliche bedeuten. Auch ihr neues, mehr als bemerkenswertes Album trägt einen unterschiedlich interpretierbaren Titel: „The Future´s Void“ – ob sie ein punkmäßiges „No Future“ damit meint, furchterregende, apokalyptische Leere oder optimistischen Neubeginn, lässt EMA offen. Aber es gibt Hinweise: drehte sich das Vorgängeralbum „Past Life Martyred Saints“ um intime, persönliche Dinge (Liebe, Sex, Beziehungen), ist „The Future´s Void“ globaler angelegt.

EMA betont, dass sie das Album vor der Snowden-Affäre konzipiert und aufgenommen hat, so oder so hat „The Future´s Void“ dringliche Aktualität. Der durchgehende rote Faden entspinnt sich an den Problematiken der Jetztzeit: die Menschheit und das Internet, Überwachung vs. Privatheit, Selbstkontrolle/Kontrolle durch andere, Auflösung in der Masse bei gleichzeitiger Vereinzelung. Harter Stoff, verpackt in zumindest teilweise harten Sound (höre: „Satellites“ oder „When She Comes“), Industrial und Noise mit Gothic-Anmutung, verzerrte Stimme, verzerrte Elektronik – die sonische Weiterführung der Neunziger, remember Nine Inch Nails. Dazwischen droppt EMA melodiösen, melancholischen Folkpop wie „3jane“ und basslastige Trancetracks („Neuromancer“), die ihre Vergangenheit als Sängerin der Drone-Band Gowns verraten. Das Album schließt mit dem Requiem „Dead Celebrity“ – die Zukunft ist dunkel.

EMA: The Future´s Void (City Slang). Zur Webseite.

EMA live
21.05. Hamburg – Uebel & Gefährlich
22.05. Köln – Blue Shell
23.05. Berlin – Prince Charles
28.05. Zürich – Boge

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