Neue und wiederaufgelegte Platten von und mit Christine And The Queens, Populäre Mechanik und Supertramp, gehört von Tina Manske.
Christine And The Queens: Chaleur Humaine
Französischer Pop: Damit habe ich, das vorausgeschickt, ein leichtes Problem. Zu oft ist mir die Textur dieser Songs zu pudrig, zu süß, zu sehr schiebt sich meines Erachtens die Sprache über die Melodien. Kann aber auch sein, dass für mich jeder, der die Sprache mit der unsäglich nervigen (jahaaa!) Zaz teilt, die ich überhaupt nicht ertrage, in Sippenhaftung genommen wird.
Christine And The Queens, das wollte ich damit hauptsächlich sagen, hat es mit ihrem Debüt „Chaleur Humaine“ bei mir also nicht leicht, und dennoch hat sie mich recht schnell erobert. Und das, obwohl Héloise Letissier als Singer/Songwriterin firmiert – auch hier muss ich erst mal den Fluchtreflex unterdrücken. Doch dann kommt ein Song wie der Opener „It“, und alle Bedenken sind verflogen: „I got it, I’m a man now/ And I won’t let you steal it, I bought it for myself/ I’m a man now“ heißt es da (ja, CATQ singt auch mehrmals englisch auf diesem Album) – ha, Genderfragen, und schon hat sie mich! Auch mit diesem extrem catchy Rhythmus, denn Rhythmen, die beherrscht sie perfekt, als gelernte Tänzerin, die sie auch ist.
Auf „Chaleur Humaine“ verbindet sie finalement auf faszinierende Art und Weise traditionellen französischen Chanson und modernen R’n’B. Eigentlich spricht das Coverbild Bände, auf der CATQ auf einem schlichten, kühlen Kubus sitzt, aber mit einem cheesy Rosenstrauß in der Hand. Minimalismus rules nämlich ok. In Frankreich ist die erste Single „St. Claude“ gerade zum Song des Jahres 2014 gewählt worden, nun wird es Zeit, dass Christine And The Queens auch hierzulande Fuß fasst.
Christine And The Queens: Chaleur Humaine. Because Music (Warner).
Populäre Mechanik: Kollektion 03
Hier haben wir es mit einem wichtigen wiederentdeckten Stück deutscher Popgeschichte zu tun. Wolfgang Seidel war Gründungsmitglied von Ton Steine Scherben, verließ die Band aber recht schnell wieder, um sich einer doch gelinde gesagt anderen Musikrichtung zuzuwenden. Er wurde Teil der Bewegung um das Berliner Zodiac Free Arts Lab und Kollege von dessen Mastermind Conrad Schnitzler. Nach ein paar Jahren gründete er die Band Populäre Mechanik, bei der er wiederum am Schlagzeug saß.
Die Band veröffentlichte in den 80er-Jahren nur zwei Musikkassetten auf dem Minilabel Stechapfel Produktion. Holger Hiller seines Zeichens Sänger der Band Palais Schaumburg, hat Populäre Mechanik nun dem Vergessen entrissen und legt mit „Kollektion 03“ eine schöne Compilation vor. Freunde von angejazztem Krautrock und experimenteller Elektronik dürften sich hier die Finger lecken. Es wurde wirklich höchste Zeit, dass diese Kleinode, die nicht nur mit ideenreichen Sounds, sondern auch mit Sozialkritik aufwarten („Wiedereingegliedert“) und erstaunlich jung wirken, nun wieder einem breiten Publikum zugänglich sind.
Populäre Mechanik: Kollektion 03. Bureau B (Indigo).
Supertramp: Crime Of The Century
Ende 2014 stellten wir an dieser Stelle einige Wiederveröffentlichungen klassischer Popalben vor; dieses hier, eines der wichtigsten Alben in der Geschichte des Progrock, schieben wir pflichtschuldigst nach. Zusammen mit „Dark Side Of The Moon“ von Pink Floyd und Mike Oldfields „Tubular Bells“ machte „Crime Of The Century“ von Supertramp die Langspielplatte populär, und zwar als Gesamtkunstwerk, das man in einem Rutsch hört, und als ideales Hi-Fi-Demomaterial. Die Songs gehen sogar ineinander über – kennt man ja heute kaum noch.
Das war 1974. Die „40th Anniversary Edition“ stellt nun dieses Meisterwerk in klanglich brillantem Gewand wieder vor. Hits wie „Dreamer“, School“ oder eben auch den Titelsong hat jeder sofort im Ohr. Andere Progklassiker wie „Hide In Your Shell“ oder „Asylum“ hört man aber nach all der Zeit auch mal wieder gern.
Und ja, das Album ist ein Klassiker, mit vielen schönen Erinnerungen. Die Stelle in „School“, in der nach der Bridge das Piano einsetzt, raubt einem auch über zwanzig Jahre später noch immer den Atem (gleiches gilt für den Titelsong). Die Deluxe-Edition wartet als 2-CD-Fassung auf; CD 2 beinhaltet die Aufnahme eines Konzerts im Hammersmith Odeon, bei dem Supertramp auch frühe Versionen ihres Nachfolger „Crisis? What Crisis?“ spielten. Außerdem enthält es ausführliche Linernotes vom Chefredakteur des Magazins Mojo.
http://www.myvideo.de/watch/2791418/Supertramp_School
Supertramp: Crime Of The Century. A&M Records (Universal).
Tina Manske