Geschrieben am 4. März 2015 von für Musikmag

Blitzbeats

Neue Platten von und mit Future Brown und Kammerflimmer Kollektief, gehört von Tina Manske.

futurebrown_ditoFuture Brown: dito

Was für eine hübsche Geschichte: da macht der Herausgeber einer Internet-Kunstplattform einen Ausflug in die Pilze und entdeckt auf dem dazugehörigen Trip eine so in der Natur nicht vorkommende Nuance der Farbe Braun – Future Brown eben, und so ist seitdem auch der Name des mit ihm befreundeten Musikerkollektivs aus den USA. Was Daniel Pineda, Fatima al-Qadiri, Asma Maroof und Jamie Imanian-Friedman aka J-Cush mit ihrem Album „Future Brown“ anbieten klingt tatsächlich wie die Zukunft, wie die Zukunft der Weltmusik nämlich.

Durch den Zusammenschluss der vier Mitglieder aus Kuwait, New York und Kalifornien und , die bisher einzeln vor allem als Produzenten auffällig geworden sind, ist eine globale Eklektizismusband entstanden. Zwischen US-Hip-Hop, UK-Grime, Dubstep, Reggae und jamaikanischem Dancehall finden sie alle möglichen und unmöglichen Verbindungen.

Die Beats mögen stolpern, aber Future Brown schweben drüber, mit lässigem Flow und saftigen Lyrics. Man kann nicht anders als mitgehen. Im Berliner Berghain haben Future Brown am vergangenen Wochenende ihr Deutschlanddebüt gegeben. Bis halb fünf muss es da zugegangen sein wie in einem Hexenkessel. Der Hype scheint jedenfalls gerechtfertigt.

Future Brown: dito. Warp (Rough Trade).

kammerflimmerkollektief_desarroiKammerflimmer Kollektief: Désarroi

Apropos Kollektiv: Mit „Désarroi“ präsentiert das Karlsruher Kammerflimmer Kollektief sein mittlerweile zehntes Album. Nächstes Jahr wird man das 20-jährige Bestehen dieses unverwechselbaren Projektes feiern können, das Thomas Weber 1996 ins Leben rief. Trotz wechselnder Mitspieler (zuletzt zum Beispiel Dietmar Dath) blieb der Sound des Kammerflimmer Kollektiefs über die Jahre von hohem Wiedererkennungswert, und das ist hier nicht anders. ‚Psychedelisch‘ ist das Zauberwort – durch Stücke von Kammerflimmer Kollektief muss man sich gehen lassen.

Höhepunkt ist ganz sicher das abschließende, großartige „Zurück zum Beton“, ein dunkles, typisch zwischen Jazz und NDW pendelndes Stück, eine S.Y.P.H.-Coverversion. „Ekelnatur, ich will Beton pur/ blauer Himmel, blaue See, hoch lebe die Betonfee“, singt Heike Aumüller über spärlichem Bass, flirrenden Gitarrenechos und einem nervösen Schlagzeug. Der von der Natur entfremdete Mensch sehnt sich zurück in die Großstadt, quasi die Antithese zu Thoreaus „Walden“, ungeschönt und harsch in Szene gesetzt, dass sich die Baumstämme biegen.

Überhaupt ist diese Hinwendung zum Song sehr gelungen, auch beim fast romantischen „Evol Jam“. Danach kann man ja wieder mit den Distortion-Sounds zu Beginn von „Free From Freak Out“ ganz herrlich seine Nachbarn quälen und den Putz von den Wänden holen.

Kammerflimmer Kollektief: Désarroi. Staubgold (Indigo).

Tina Manske

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