Neue Platten von und mit Trümmer, FKA twigs und Basement Jaxx, gehört von Tina Manske (TM) und Christina Mohr (MO).
Trümmer: dito
(TM) „Vor uns liegt immer noch mehr als hinter uns“: Solche Sätze äußern zu dürfen ist das Privileg der Jugend. Die Haltung der Band Trümmer aus Hamburg, die jetzt mit ihrem selbstbetitelten Debüt die Feuilletons umtreibt und bereits als neue Diskursrockhoffnung gehandelt wird, ist vor allem diese: Wir sind jetzt hier, wir sind jung und wir wollen große Dinge tun. Wie jede Jugend das will. Das ist ihre Aufgabe: die Welt der Eltern in Stücke hauen wollen. Und das machen Trümmer, ganz so, wie es ihr Name erfordert, mit überlegtem Rock’n’Roll.
Nicht immer gelingt es ihnen dabei, die Langeweile ganz und gar zu vertreiben, aber manchmal eben doch. „Ist das alles, wo ist die Euphorie?/ Alles oder nicht, jetzt oder nie“, heißt es in „Wo ist die Euphorie“, und als etwas in die Jahre gekommener Rezipient denkt man sich unwillkürlich: jaja Bursche, komm du mal nach einem 8-Stunden-Tag nach Hause, wo noch die dreckige Wäsche rumliegt und sowieso mal wieder keiner den Abwasch gemacht hat und also die Revolte da draußen wieder einmal verschoben wird für einen Abend vor der Glotze. Andererseits: wer soll uns denn bitte in den Arsch treten, wenn nicht die Jungen?
Trümmer: dito. PIAS (Rough Trade)
FKA twigs: LP1
(MO) Kaum ein(e) Newcomer(in) dieses Jahres wurde mit so vielen Vorschusslorbeeren bedacht wie Taliah Barnett, besser bekannt als Gesamtkunstwerk FKA twigs. Mit nur zwei EPs – maximal minimalistisch schlicht „EP 1“ und „EP 2“ benannt – und aufwändigen Videos eroberte die 26-jährige Londonerin mit jamaikanisch-spanischen Wurzeln Pop-Nerds und -Hipster allüberall, der Erfolg des Debütalbums „LP 1“ scheint vorprogrammiert.
Hört man nur auf die Musik, verwundert der Hype beinah, denn: FKA twigs macht keine mainstreamtauglichen, hitverdächtigen Stücke, ganz im Gegenteil. Spröde und beim ersten Eindruck wenig eingängig klingt ihr eigenwilliges Update von R’n’B. Mal fragil, mal sperrig; zersplittert und ätherisch ist der Sound mit TripHop- und Soulelementen, aus den wie hinskizzierten Tracks mit unentwirrbaren Schichten aus Loops und Beats schälen sich erst nach und nach Melodien heraus, die dafür umso nachhaltiger im Gedächtnis bleiben.
Barnetts operngeschulte Stimme schwebt, haucht, flüstert, flirrt – man denkt an Sängerinnen wie Aaliyah, Brandy und auch Janet Jackson, besonders in Tracks wie „Video Girl“ oder „Closer U O“, und doch ist FKA twigs keine reine „Nachfolgerin“ des glattglänzenden 1990er-R’n’B. Die perfektionistische Synästhetikerin hat ihre eigene Agenda, die sie unbeirrbar verfolgt und sie in punkto künstlerischer Individualität (und auch Verschrobenheit) eher in die Nähe von Ausnahmemusikerinnen wie Kate Bush und Laurie Anderson rückt. Man darf gespannt sein, wohin ihre Visionen FKA twigs noch führen – und bis dahin staunend „LP 1“ goutieren.
FKA twigs: LP1. young turks/Beggars.
Basement Jaxx: Junto
(TM) „Junto“ mag zwar auch, wie die Plattenfirma im Begleitschreiben feststellt, englisch für „Bande“ stehen, besser passt jedoch der Hinweis darauf, dass „junto“ auf Spanisch „zusammen“ heißt, und was möchte man in der modernen Tanzmusik gemeinhin zusammen machen? Party und Sex natürlich. Und genau darum, um das gemeinsame Erlebnis auf dem Dancefloor und möglicherweise danach im Bett geht es hauptsächlich auf der mittlerweile siebten Studioplatte der einflussreichen Elektronikklitsche Basement Jaxx. „Power To The People“ heißt es bereits im ersten Song nach dem kurzen „Intro“, und auch darum geht es natürlich: Musik vereint einfach, besonders wenn sie so mitreißend rüberkommt wie bei den Housebeats von Basement Jaxx.
Wie perfekt sie das immer noch können, zeigt die Single „Never Say Never“ mit ihrem herrlichen Offbeat. Immer wieder fügen Felix Buxton und Simon Ratcliffe ihren Stücken Elemente aus Worldmusic hinzu: afrikanische Harmonien in „Power To The People“ und „Rock This Road“ oder brasilianische Sonnenanbetung bei „Mermaid Of Salinas“). „Buffalo“ hingegen ist reinster London-Djungle – nicht weniger gelungen. Auch die Zitate sind weise gewählt: Bei „Never Say Never“ etwa scheint im Refrain Womack & Womacks „Teardrops“ auf. Macht durchgängig Spaß.
Basement Jaxx: Junto. PIAS (Rough Trade).