Finnischer Fasching
Oft als finnische Variante des Foxtrott bezeichnet, sind die beschwingten Songs im 2/4-Takt herrlich anarchisch. Von Jörg von Bilavsky
Radiohörern passiert es nahezu jeden Tag: Da rauscht im Hintergrund ein Song vorbei, und es will einem partout nicht in den Sinn wie er heißt, von wem er stammt. Doch spätestens wenn der Refrain ertönt, macht es bei dem ein oder anderen Klick. Das war doch…? So einfach machen es uns die vier bärtigen Rentner aus Finnland nicht. Die unzähligen, zumeist finnisch getexteten Coverversionen der nordischen Polka-Band Eläkeläiset („Die Rentner“) stellen den Hörer nicht selten vor ein fast unlösbares musikalisches Rätsel. Es braucht schon einige der rasanten Takte, bis der Groschen fällt und wir den Rock- oder Popklassiker erkennen. Ihre Best-of-Doppel-CD „Humppabingo“ bietet sich also hervorragend für wilde Tanzpartys mit kurzen Quizeinlagen an. Bei dem in perfektem Deutsch intoniertem „Model“ von Kraftwerk ist der Wiedererkennungseffekt ein hundertprozentiger, bei allen anderen Coversongs bewegt er sich eher zwischen null und sechzig Prozent.
Rustikales Idiom
Aber genau das spricht für das spielfreudige Quintett, dass dem polka-ähnlichen „Humppa“ zum endgütigen Durchbruch verholfen hat. Zumindest in Finnland, wo diese Musikrichtung schon seit den 1930er-Jahren gepflegt wird. Oft als finnische Variante des Foxtrott bezeichnet, sind die beschwingten Songs im 2/4-Takt herrlich anarchisch. Vor allem die temporeichen Varianten der „Kings of Humppa“, wie sich die Rentner nicht ganz unbescheiden nennen. Wer sich den zweieinhalbstündigen Querschnitt ihres bisherigen, seit 1993 auf Tonträger gebannten Schaffens zu Gemüte führt, wird ihnen diesen Titel nicht absprechen wollen.
Obgleich hierzulande in Sachen Humppa noch Aufklärungsarbeit geleistet werden muss – nur die Berliner Band „Die Wallerts“ und die nicht weit von der Hauptstadt entfernt residierenden „Pankepiraten“ eifern ihren finnischen Vorbildern bisher nach –, dürften Freunde der osteuropäischen Polka oder des angelsächsischen Ska ihre Freude an der auch mit ungewöhnlichen Instrumenten dargebotenen Musik haben. Gewöhnungsbedürftig freilich bleibt das finnische Idiom, das sehr urtümlich, um nicht zu sagen recht rustikal klingt. Also nichts für zart-romantische Melancholiker, dafür umso mehr etwas für volkstümlich-robuste Seelen. Mit einem kräftigen „Humppa, Humppa Tätärä“ kann der finnische Fasching nun auch in unseren Bereitengraden beginnen.
Jörg von Bilavsky
Eläkeläiset: Humppabingo. Nordic Notes (Vertrieb: Broken Silence). Erscheint am 5. Februar.