Geschrieben am 1. November 2017 von für Musikmag

Fever Ray: Plunge

cover_1507300119457706In-die-Liebe-Fallen

Eine „Queer“-Ausgabe des Cultmags wäre nicht vollständig ohne die Review des neuen Albums von Fever Ray. Wenn es eine Künstlerin gibt, die das Wort „queer“ mit Leben füllt, dann wohl Karin Dreijer Andersson. Bereits bei The Knife, einer Band, die es leider nicht mehr gibt, hat sie zusammen mit ihrem Bruder Olof jegliche Grenzziehungen ad absurdum geführt, gendertechnisch und musikalisch. Mit Fever Ray verfolgt sie seit 2009 ein eigenes Projekt. Nun erscheint, eine gefühlte Ewigkeit (und acht Jahre) nach dem letzten Fever-Ray-Album „Shaking The Habitual“, die neue Platte – vorerst nur digital, im neuen Jahr dann auch auf Tonträgern.

Es war insgesamt ein gutes Jahr für Fans von KDA. Vor einigen Monaten wurde das Konzertvideo „Live at Terminal 5“ von The Knife veröffentlicht, eine fulminante, bunte und mitreißende Show, die die Band in London absolviert hatte. Passend zur Halloween-Saison hat KDA nun in den letzten Wochen die Fans mit Horror-Videos auf YouTube beglückt. „Hey, remember me? I’ve been busy working like crazy“, singt Andersson gleich zu Beginn der ersten Single „To The Moon And Back“. Nur zu gerne nimmt man zur Kenntnis, dass sie wieder zurück ist, und der Sound ist auch sofort als der ureigene The-Knife-Fever-Ray-Sound zu erkennen: fiebrige Beats kurz vor der Kernschmelze. Im Video ist dazu eine Frankenstein-artige Frau zu sehen, die von einem Rudel Grusel-Lesben („lesbian power rangers from space“ nennt es ein YouTube-Kommentator) in den Liebesdienst genommen wird, inklusive Cunnilingus-Andeutungen und golden shower. Spätestens da musste den Fans klar sein, wohin für KDA die Reise geht: „Plunge“ ist härter und falls man das sagen kann, noch kompromissloser als ihre vorherigen Platten. Und wohl auch persönlicher.

Selbst wenn es in manchen Songs etwas gesetzter zugeht („Mustn’t Hurry“) oder bei „Red Trails“ etwas Ruhe einkehrt, dann nur musikalisch: „Blood was our favourite paint/ you were my favourite pain“, heißt es dort. Im zentralen „Falling“, das in mehrerer Hinsicht als Herzstück gelten kann, singt sie mit ihrer unverwechselbaren Stimme davon, wie die Geliebte sie sich schmutzig fühlen lässt, die alte Scham wieder aufreißt. Aber „Falling“, das ist hier eben das In-die-Liebe-Fallen. Danach ist mir „ISK About You“ die recht explizite sexuelle Vereinigung dran. Überhaupt geht es auf „Plunge“ sehr feucht und klebrig zu.

Die elf Songs des Albums wurden in KDAs Studio in Stockholm aufgenommen, in Zusammenarbeit mit den Produzenten Paula Temple, Deena Abdelwahed, NÍDIA, Tami T, Peder Mannerfelt sowie Johannes Berglund.

„It used to bother me that violence is as intimate as love, but I see that you have resolved that problem by dissolving the two each into the other“, schreibt KDA in den Liner Notes. Die Liebe ist ein hartes Spiel. „I wanna love you, but it’s not easy“, so die ersten Zeilen des ersten Songs des Albums „Wanna Sip“.

„Plunge“ und Fever Ray zu lieben dagegen ist leicht.

Tina Manske

Fever Ray: Plunge. Digital bereits erhältlich, ab 23.2.2018 auch auf Vinyl oder CD.