Geschrieben am 28. November 2012 von für Musikmag

Godspeed You! Black Emperor: ‚allelujah! Don’t Bend! Ascend!

Schaler Beigeschmack

– Ronald Klein über das neue Album einer Band, die den Progrock fast alleine erfand und nun nach zehn Jahren wieder eine Platte veröffentlicht.

Vor fast zwei Dekaden tauchte das kanadische Ensemble Godspeed You! Black Emperor am Firmament auf und versetzte Musikliebhaber in Verzückung. Die ellenlangen Songs, im Regelfall zwischen 20 und 30 Minuten, rein instrumental gehalten, setzten Maßstäbe. Postrock nannten die Kritiker die Richtung, an deren Front ebenso Mogwai und Tortoise der Langweile, bestehend aus Strophe und Refrain, den Todesstoß verssetzten. Trotz fehlender Lyrics gehörte eine latente politische Haltung zum Oeuvre. GY!BE polarisierten. Hielten die einen die Band mit den beeindruckenden Mini-Sinfonien wirklich für eine Entität einer neuen (musikalischen) Bewegung, so lehnten andere die acht Musiker als „Hipster-Lieblinge“ ab.

Liest man heute die einschlägigen Foren, so resultierte eben jene Ablehnung vorwiegend aufgrund des Status‘, die wenigsten setzten sich mit dem künstlerischen Schaffen auseinander. Daher stellt das neue Album für einige Hörer quasi ein Erweckungserlebnis dar. Zehn Jahre nach ihrem letzten Werk „Yanqui U.X.O.“ und dem abrupten Ende, veröffentlichen Godspeed „’allelujah! Don’t Bend! Ascend!“ und knüpfen genau dort an, wo sie aufgehört haben.

Zwei lange Nummern („Mladic“ und „We Drift Like Worried Fire“) begleitet von den mit jeweils sechseinhalb Minuten – für Band-Verhältnisse – kurzen Stücken „Their Helicopters‘ Sing“ und „Strung Like Lights At Thee Printemps Erable“. Bootleg-Sammler kennen zumindest die ersten beiden Songs, da sie seit einer gefühlten Ewigkeit zum Repertoire gehören, aber nun erstmalig in einer Studioversion vorliegen.

Und das mag die Euphorie ein wenig dämpfen, die die Veröffentlichung hervorrief. Natürlich bewegt sich die Platte auf einem hohen Niveau. Und es ist auch müßig, in der Musik stets das Prinzip „höher schneller weiter“ einzufordern.

Aber die Faszination der früheren Werke entstand im Spannungsfeld der Reibung mit der zeitgenössischen Musik. Als Godspeed Mitte der 90er-Jahre an den Start gingen, kam die Innovation aus der elektronischen Musik. Rock schien seine ästhetischen Grenzen ausgelotet zu haben, selbst Grunge war im Mainstream angekommen. Godspeed und die Geistesverwandten benutzten das Epische des Progrocks, um mit Hilfe von mehreren Gitarren und bisweilen Streichern, neue Klanglandschaften zu erschaffen.

Trotz der Nähe zum Prog klang das Ergebnis nie nach Retro, nach einer Rückschau. „’allelujah! Don’t Bend! Ascend!“ hingegen lässt dieses Spannungsfeld, die wenigstens latente Reflektion, vermissen. So bleibt trotz der Finesse ein schaler Beigeschmack.

Ronald Klein

Godspeed You! Black Emperor: ‚allelujah! Don’t Bend! Ascend! Constellation Records (Cargo). Zur Album-Information auf der Constellation Records – Website.

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