Die Heiterkeit: Im Zwiespalt
Interview mit Stella Sommer / Die Heiterkeit
zum Album „Pop & Tod I + II“ (Buback). Von Christina Mohr.
„Mit dem dritten Album zeigt man, was man drauf hat“, schreibt Tino Hanekamp im Waschzettel zur neuen Platte von Die Heiterkeit: Eine Menge, darf man wohl behaupten. Die Band um Sängerin, Gitarristin und Songschreiberin Stella Sommer wartet mit einem zwanzig Stücke starken Doppelalbum auf, das den so lapidaren wie erhabenen Titel „Pop & Tod I + II“ trägt – ein Wagnis, zweifelsohne. Aber Die Heiterkeit passt seit ihrem Debütalbum „Herz aus Gold“ von 2012 sowieso in keine Schublade, kein Etikett mochte auf der spröden Oberfläche haften. Stella Sommers Art zu singen (irgendwo zwischen Nico und Hans Albers, so die Spex), der auf der neuen Platte durch ungewohnt leichte, geradezu heitere (sic!) Harmonien kontrastiert wird, unterstreicht den unnahbaren Eindruck, und doch kann man sich der Faszination nicht entziehen, die von der Musik dieser Band ausgeht. Apropos Band: Erneut gab es verschiedene Besetzungswechsel. Auf dem Album ist noch Rabea Erradi am Bass zu hören, die inzwischen von Hanitra Wagner (Oracles) ersetzt wird; am Schlagzeug sitzt nicht mehr Anna-Leena Lutz, sondern Philipp Wulff, zusätzlich dazugekommen ist Sonja Deffner (Synthesizer). Ein Quartett ist Die Heiterkeit jetzt also. Ist das wichtig? Fragen an Stella Sommer:
MO: Warum ein so gewichtiger Titel? Pop & Tod I + II klingt geradezu existenzialistisch, aber auch wie ein Konzeptalbum. Wie kam es zur Idee?
Stella Sommer: Eigentlich eher zufällig. Wir hatten halt sehr viele Songs und einer davon war
„Pop & Tod“. Uns ist eigentlich direkt beim Sichten der ganzen Stücke
aufgefallen, dass dieser Titel beziehungsweise der Song an sich die
Platte am besten auf den Punkt bringt. „Pop & Tod“ klang irgendwie überall mit.
Zwanzig Tracks sind ein ungewöhnlich großer Umfang (okay, Bernd Begemann hat 28 Songs auf seiner letzten Platte…) – wann und wie wurde klar, dass es so viele Songs sein müssen?
Wir wollten ja ursprünglich dreißig Songs aufnehmen. Im Studio haben wir gemerkt, dass wir zwar wahnsinnig schnell sind, aber so schnell dann doch nicht, und den Songs auch nicht gerecht werden würden. Ich weiß auch nicht, wieso wir dachten, dass es so viele sein sollten. Ich habe einfach, als klar war, dass eine neue Platte ansteht, alles gesichtet was ich in letzter Zeit geschrieben habe. In die engere Auswahl kamen dann so um die
40 Stücke, die ich dann rumgeschickt habe. Es hätte keinen Sinn gehabt, so viele Songs unter den Tisch fallen zu lassen, wenn sie eh schon da sind.
Tino Hanekamp sieht in der Songliste eine Dramaturgie, er fasst das Album wie einen Roman auf – ist das so?
Naja, im besten Fall ist jedes Album wie ein Roman. Es gibt einen Anfang und ein Ende und dazwischen eine bestimmte Dramaturgie, die man durch die Reihenfolge der Songs ganz bewusst steuert. In unserem Fall haben wir uns am letzten Studiotag mit Moses (Schneider) hingesetzt und festgestellt, dass es eben nur die eine Reihenfolge gibt, in der die Platten in sich schlüssig sind und funktionieren. Also Anfänge und Enden der beiden
Platten waren eh schon gesetzt, aber das hat uns selbst erstaunt, wie sich dann alles gefügt hat.
Das Lied „Panama City“ hat ungeahnte Aktualität erhalten – amüsiert dich das?
Ja, sehr. Da haben wir uns schon sehr gefreut, wie auf einmal alles an dem Lied auf einer ganz anderen Ebene Sinn bekommen hat. Visionär!
Du, Stella, bist die einzige feste Größe von Die Heiterkeit – warum?
Ich bin halt die Einzige, die nicht aussteigen kann. Wo sollte ich denn auch hingehen, wenn ich aussteige?
Hat es jemals eine Rolle gespielt, ob bei Die Heiterkeit Männer oder nur Frauen
mitspielen? Und was macht für dich den Reiz einer Band aus (im Gegensatz zu solo)?
Nein, eigentlich hat es für uns nie eine Rolle gespieltm, ob Männer oder nur Frauen mitspielen. Wir wollten unser Geschlecht von Anfang an nicht übermäßig thematisiert wissen. Hat leider nur bedingt geklappt. Seitdem sitzen
wir in der Schublade „Frauenband“, aus der wir uns aber jetzt ja befreien konnten. Wir sind jetzt, wie ich unlängst gelesen habe, eine „unreine Frauenband“. Den Reiz einer Band sehe ich in der Gemeinschaft, also dass es etwas
gibt, das größer ist als man selber. Ich stelle es mir wahnsinnig ermüdend vor, wenn man wirklich alles alleine ziehen müsste. Außerdem war ich als Kind der größte Beatles-Fan. Diese Vorstellung von einer funktionierenden Band als ein Monster mit vier Köpfen hat mich schon immer fasziniert.
MO: Alle lieben euer Album – was lief anders als bei den ersten zwei Platten?
Ist mir bis jetzt noch nicht aufgefallen, dass alle unser Album lieben. Im Gegenteil hatte ich immer das Gefühl, dass wir von Anfang an mit viel Hass und Abschätzung konfrontiert wurden, zumindest von der breiteren Masse. Abgefeiert wurden wir von Anfang an vor allem von Journalisten und anderen Bands. Aber über sowas wundere ich mich auch nicht mehr. Ich wunder mich eigentlich über nichts mehr. Ich halte beide Alben aber für wirklich sehr gelungen und bin sehr stolz darauf. Durch die vielen Besetzungswechsel haben wir auch einen Vorteil, man stagniert nicht so schnell und ist immer in Bewegung, weil sich die Strukturen innerhalb der Band ja zwangsläufig immer verändern. So wurden „Pop & Tod I + II“ halt von einer komplett anderen Band eingespielt als „Monterey“, und „Herz aus Gold“ war wieder anders. Und wir hatten den Luxus, dass wir zu viele Songs hatten und wenn was nicht auf Anhieb geklappt hat (was selten vorkam), haben wir einfach den nächsten Song gemacht. So haben wir innerhalb von einer Woche achtzehn Tracks fertig gehabt und für die letzten beiden, nämlich „Genie bei der Arbeit“ und „Heller Morgen“ hatten wir dann noch genügend Zeit, um die nochmal anders zu machen als den Rest des Albums. Und wir hatten natürlich Moses dabei, der ja eh unbezahlbar ist.
Langweilt es dich, über Vorbilder und Einflüsse zu sprechen? Wenn nein: Hast du welche?
Ach, jeder hat ja irgendwelche Vorbilder, manche sind so ewige Vorbilder und andere kommen und gehen. Und was Einflüsse angeht, bilde ich mir ein, dass man natürlich von allem, was um einen rum geschieht, beeinflusst wird. Man nimmt alles auf und verarbeitet es irgendwie. Gerade als Songschreiber: Man ist ja ein einziger Umschlageplatz für die ganzen Einflüsse, die da so tagtäglich durch die Gegend fließen.
Wie geht es weiter mit Die Heiterkeit – hoffentlich nicht mit Tod/Ende? Oder was hast du vor mit der Band?
Nee, bestimmt nicht. Erstmal kommt ja jetzt die Platte raus und wir touren. Dann haben wir immer noch genügend Songs übrig, die wir einfach aus Zeitgründen nicht mehr aufnehmen konnten. Und neue Songs gibt‘s auch schon. Irgendwie geht es ja immer weiter.
Christina Mohr