Geschrieben am 29. Mai 2013 von für Musikmag

Interview mit Roxanne de Bastion

Roxanne de Bastion_The Real ThingReduziert und konzentriert

– Während Berlin Künstler aus aller Welt anzieht, siedelte die Berliner Singer-Songwriterin Roxanne de Bastion 2007 nach England über, wo sie seitdem unermüdlich tourt. Mit „The Real Thing“ legte sie unlängst ihr Debütalbum vor. Ronald Klein sprach mit ihr über London, Berlin und die digitale Revolution.

Ronald Klein: Roxanne, man trifft Dich seit vielen Jahren auf den Live-Bühnen an. Warum hast Du Dir mit dem Debüt-Album entsprechend Zeit gelassen?

De Bastion: Stimmt, allerdings erst so richtig mit Gitarre und eigenen Songs, seitdem ich in 2007 nach England gezogen bin. In den letzten fünf Jahren habe ich so viel gespielt und Songs komponiert. Ich fand, dass ich mir das Album erst verdienen musste – jetzt ist es endlich soweit!

Während viele Musiker und bildende Künstler regelrecht nach Berlin strömen, bist Du vor einigen Jahren den umgekehrten Weg gegangen. Warum?

Als ich in England ankam, hieß es zunächst: „Berlin… that’s in Germany, right?“, und binnen vier Jahren steigerte sich die Reaktion zu „Oh, you’re from Berlin? That’s so cool, whatareyoudoinghere?“… Ich liebe Berlin, aber musikalisch gesehen war England immer meine Heimat. Texte sind mir sehr wichtig und ich wollte schon immer meine Lieder vor einem englischsprachigen Publikum spielen. Hinzu kommt, dass ich meinen eigenen Weg gehen musste – Weg von zu Hause, auch wenn es sich dabei um die schönste Stadt der Welt handelt.

Wie schwierig war es, in England anzukommen? 

Persönlich war es schwer, alleine in einem dann doch fremden Land einen Neubeginn zu wagen. Musikalisch war es aber recht einfach. In England gibt es in jedem kleinen Dorf Konzerte und begnadete Musiker. Anschluss und Gigs findet man also schnell.

Was unterscheidet Berlin und London im Allgemeinen?

Berlin und London könnten eigentlich gar nicht unterschiedlicher sein. Es wäre einfacher, wenn Du mich fragen würdest, was die Städte gemeinsam haben… Für mich sieht es so aus: In London ist man ehrgeizig, voller Energie und Durchblick, es gibt immer etwas zu tun und der Terminkalender ist immer voll. In Berlin sitzt man mit Freunden und einer Flasche Bier im Park und fühlt sich etwas freier und leichter.

Und hinsichtlich der Musikszene?

In London gibt es jeden Tag so viele Konzerte – mit so viel Konkurrenz kann das Musikerdasein hier echt schwierig werden. Allerdings hat das auch seine positiven Seiten – ich bin lieber da, wo’s schwieriger ist – sonst wird’s ja langweilig!

Du warst ebenfalls auf US-Tournee. Mit welchen Eindrücken bist Du zurückgekehrt?

Ich liebe New York! Vor allem war ich vom Publikum begeistert. Alle Amerikaner können Harmonien singen. Das wird dort scheinbar mit in die Wiege gelegt! Im Vergleich zu England ist das Publikum in den USA viel lockerer – es wird unaufgefordert mitgesungen und mitgetanzt, ganz unbedarft. Das Niveau der Singer-Songwriter fand ich auch inspirierend. Ich habe noch nie so viel Talent einem Raum erlebt wie in dem kleinen Folk-Club in Brooklyn…

Hinsichtlich früherer Veröffentlichungen hat sich Dein Stil auf der CD gewandelt: reduzierter, aber dadurch konzentrierter und reifer. Erforderte es Mut, sich lediglich auf Stimme und Akustikgitarre zu fokussieren?

Danke! Nee, Mut erforderte das gar nicht – als wir dieses Album aufnahmen, fiel mir ein Stein vom Herzen. Wenn ich live auftrete, sind ohnehin nur Gitarre und Gesang im Spiel, und so habe ich es auch am liebsten. Ich war noch nie ganz mit den vollen Produktionen und glattgebügelten Aufnahmen zufrieden. Der Stil der Aufnahme hat sich also eher meiner Liveperformance angeglichen. Ich wollte unbedingt eine ehrliche Repräsentation meiner Liveshows haben.

Während der letzten zehn Jahre haben sich die Vertriebswege im Musikbusiness stark verändert. Bands werden via Social Networks bekannt, bieten Songs zum Download an. Die digitale Revolution bringt in der Tat einige Vorteile mit sich, jedoch gibt es auch die andere Seite der Medaille…

Ja, allerdings! Es ist jetzt so einfach, selber Musik zu veröffentlichen, und dadurch gibt es dementsprechend mehr Konkurrenz. Allerdings ist es für einen Workaholic und Kontrollfreak wie mich eine gute Sache, dass man die Kontrolle über sein eigenes Material nicht verlieren muss, um erfolgreich Musik zu machen. Mit jeder neuen Technologie kommt auch neue Verantwortung – wir haben alle noch etwas aufzuholen, aber ich bin auf die Zukunft der digitalen Revolution sehr gespannt und bin optimistisch.

Wie wirkt Berlin mit etwas Abstand auf Dich? Insbesondere in Bezug auf Debatten wie „Schwaben-Bashing“, „Clubsterben“ und Gentrifizierung?

Wie heißt das so schön? Der Zuschauer sieht mehr vom Spiel… Gentrifizierung ist leider unvermeidbar, das ist halt so. Allerdings hat Berlin schon immer einen ganz eigenen Status in der Welt der Kunst gehabt, und ich hoffe sehr, dass dies nicht vergessen oder unterschätzt wird und dass einige Merkmale, Grünflächen und etwas Platz zum Atmen erhalten bleiben. Es ist ja ein Teil der Mauer abgetragen worden (trotz David Hasselhoffs Hilfe!!) – eine sehr fragwürdige Entscheidung… Wenn ihr Lust habt, könnt ihr auf Soundcloud mein neues Lied „Wasteland“ hören – darum geht es in dem Lied: https://soundcloud.com/roxanne-de-bastion/wasteland-demo

Ronald Klein

Roxanne de Bastion: The Real Thing. Nomad Songs. Zur Homepage und zur Soundcloud Seite.

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