Geschrieben am 10. Oktober 2008 von für Musikmag

Its A Musical: The Music Makes Me Sick

Stehaufmännchen

– Rhythmenwechsel, plötzliche Bläsereinsätze, Jazzanleihen, dann wieder ein halbes Kinderlied, Songs, die man schon am Ende wähnt, kriegen nochmal die Kurve – es ist wie ein prächtiger Erwachsenengeburtstag mit großen bunten Hüten. Von Tina Manske

Wie befreiend es jedes Mal wieder ist, wenn sich Musik hören lässt, die jeder flüchtigen Einordnung spottet und einfach IST statt irgendwas sein zu WOLLEN, das lässt sich in dieser Woche am besten mit der Berlin-Cottbus-Formation It’s A Musical erfahren. Zwar klingen Ella Blixt, die bezaubernde Schwedin, und Robert Kretzschmar mit all ihren Computern, ihrem Bliepen und Texten, die sich um verschmähte Liebe („Dinosaur“), poptheoretische Langeweile (Titelsong) oder Faulheit an sich („Lazy“) drehen, einerseits wie aufgedrehte Stehaufmännchen, die man mit ernsten Dingen nicht locken kann, andererseits haben sie musikalische Volten drauf, die so überraschend wie dann doch zwingend sind. Denn auf ihren zwölf Songs haben sie so viele Ideen, eingängige Melodien sowie elektronische Hooks versteckt, dass man mit den Zählen gar nicht hinterher kommt. Rhythmenwechsel, plötzliche Bläsereinsätze, Jazzanleihen, dann wieder ein halbes Kinderlied, Songs, die man schon am Ende wähnt, kriegen nochmal die Kurve – es ist wie ein prächtiger Erwachsenengeburtstag mit großen bunten Hüten und permanenten Purzelbäumen. Für ihr Video zu „Bad Day“ zum Beispiel setzten sich die beiden einfach auf ein Fahrrad und radelten durch die Prenzlauer Allee in Berlin – fertig. Das ist ihr Statement zum Thema Glamour.

Apropos: „The music makes me sick/ I stop to listen when you start to sing/ we think it’s time to quit/ it’s all been sung, yes/ we’ve heard it before“, heißt es im Titelsong, einer ebenso naiven wie treffenden Beschreibung des Formatradios mit all seinen stromlinienförmig hingeschluderten ‚besten Hits‘. „At every concert I have tried to keep my faith/… Instead of getting high my back pain brings me down“, geht es weiter, jaja, das Leid jedes leidenschaftlichen Konzertgängers, und darauf folgt eine geradezu geniale Verlangsamung und Verschleppung, ein erster Höhepunkt der Platte. Blixt kann ebenso Anleihen machen bei Björk („What Do I Know?“) wie bei Carla Bruni. Überhaupt: diese Stimmen. Das gesanglichen Zusammenspiel von Blixt und Ketzschmar durchläuft alle Nuancen von virtuos bis naiv, sie passen einfach zusammen wie die Nadel in die Rille. Ach ja, Gitarren sucht man hier vergeblich, und sie fehlen an keiner Stelle. Stattdessen Orgeln, Glockenspiel, Trompeten, Piano, Vibraphone, Schlagzeug, Keyboard.

Welch großartig positiv gestimmtes Album! Und mit charmant vorgetragenen Zeilen wie „I have double time than you/ but you do three times more than me/… if you think I’m lazy, maybe it’s true/ compared to you“ macht man sich als Hörer sofort den Tag zum Freund, denn: „while you are hurrying all the time I remain seated“, und sofort spürt man die Entspannung den Körper hochkriechen. Auch Stehaufmännchen bleiben mal sitzen.

Tina Manske

It’s A Musical: The Music Makes Me Sick. Morr Music (Vertrieb: Indigo/Morr Music).
Reinhören bei MySpace
Homepage von Its A Musical

It’s A Musical live:
09. Okt., 101 im Admiralspalast, Berlin

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