Geschrieben am 17. Mai 2016 von für Musikmag

James Blake: The Colour In Anything / Beyoncé: Lemonade

jamesblake_thecolourofanythingLiebeskummer galore

Von all den Alben, die in den letzten Tagen plötzlich über Nacht erschienen sind, ist das von James Blake sicher nicht das sehnlichst erwartete. Der Melancholiker hatte ja bereits mit seinen beiden ersten Alben die Benchmark gesetzt für die Verbindung von Dubstep und introspektiven Pianoklängen und damit weltweit Begeisterung ausgelöst. So richtig überraschen konnte er damit allerdings zuletzt nicht mehr.

Vor kurzem hat er sich von seiner langjährigen Freundin getrennt, es war also abzusehen, dass auch „The Colour In Anything“ ein Schmerzensalbum werden würde. Angesichts des offenen Hasses, der ihm dafür mittlerweile entgegenschlägt, möchte man ihn aber eigentlich ja fast in Schutz nehmen. Und tatsächlich fängt die Platte gar nicht schlecht an: „Radio Silence“ hat den typischen Blake-Sound mit einer wiederkommen Zeile, die man fast schon als Refrain werten kann. Auch „Points“ kann mit seinen schönen Soundspielereien überzeugen.

Überhaupt: Am besten ist er, wenn man ihn fast gar nicht hört, wie in „We Need A Forest Fire“, wo Bon Iver den unterstützenden Gesangspart übernimmt, oder wenn er, wie beim Titelsong, nur das Piano als Begleitung verwendet. „I want no pain anymore“, singt Blake in „Put That Away And Talk And Talk To Me“, und man wünscht ihm tatsächlich dringend, dass er mal ein bisschen Auszeit vom Herzschmerz nimmt. Auf die Dauer von 75 Minuten ist Blakes perfektionierte Klagemauer schwer zu ertragen. Am Ende Mai erscheint „The Colour In Anything“, bis dahin ist es über Spotify und iTunes erhältlich.

beyonce_lemonadeAuch beim neuen, sehr interessanten Album von Beyoncé hat Blake mitgemischt und -produziert. Auch „Lemonade“ wurde über Nacht veröffentlicht, und auch Beyoncé hat Liebeskummer galore, aber der amerikanische Superstar geht damit deutlich besser um als ihr britischer Kollege. Wenn das Leben dir Zitronen gibt, mach „Lemonade“ draus, dieses Motto nimmt sie wörtlich und erzählt mit ihrem Album die Geschichte einer Selbstermächtigung.

Als „visuelles Album“ tituliert, gehört natürlich auch der einstündige Film dazu, der in den USA bereits ausgestrahlt wurde und die Geschichte in toto erzählt. Die handelt von der schwarzen Frau, die von ihrem Mann (genau, Jay-Z) verarscht wird, aber genug balls und money hat, um sich selbst aus der Misere zu ziehen. Außer Blake hat sie sich auch sonst die richtigen Koproduzenten und Mitstreiter an Bord geholt, darunter Jack White, Diplo, Boots und Jonny Coffer.

Beyoncé macht, was wir von einem Superstar erwarten und unterhält uns eine Dreiviertelstunde mit abwechslungsreichem, fantastisch produziertem Soul und Pop. Nach dem ruhigen Beginn, der das Thema setzt – Verrat und Enttäuschung – folgt mit „Hold Up“ eine groovige Nummer auf einem Calypso-Beat. Rockig wird’s bei „Don’t Hurt Yourself“ mit Jack White inklusive Beatles-Reminiszenz. Beim dunklen „6 Inch“ (gemünzt auf die High Heels, die die erfolgreiche Frau trägt) mischt Weeknd mit. „Daddy Lessons“ beginnt mit einer Dixie-Brassband und entwickelt sich zum Uptempo-Song – wahrscheinlich der konventionellste Titel der Platte. Dagegen „Freedom“, zusammen mit Kendrick Lamarr: hier schwingt sich Beyoncé zu einer Form auf, die auf Augenhöhe ist mit Aretha Franklin. Die Superbowl-Hymne „Formation“ beschließt dieses großartige Album.

Tina Manske

James Blake: The Colour In Anything. Polydor (Universal); Beyoncé: Lemonade.

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