Geschrieben am 2. März 2011 von für Musikmag

Kreidler: Tank

Berlin – Düsseldorf

– Kreidler haben ein schön altmodisches Meisterwerk eingespielt – Tina Manske begeistert sich über einen unterhaltsamen Sturm im Wasserglas.

Thomas Klein, Alexander Paulick, Andreas Reihse und Detlef Weinrich wissen einfach, was sie tun. Sechs Stücke in gut 43 Minuten – das ist ganz alteingesessenes Plattenniveau aus Zeiten, als man dieselben nach der Hälfte noch wendete. Und das passt einfach zu dieser auch sonst anmutig nach alten Zeiten riechenden Platte. Ihr letztes, äußerst erfolgreiches Album „Mosaik 2014“ ist noch nicht einmal 2 Jahre alt, da schaffen Kreidler es doch tatsächlich, sich noch einmal zu steigern.

Entstanden ist „Tank“ auf ähnliche Art und Weise wie der Vorgänger: fünf Tage haben sich Kreidler in ihrem Studio eingeschlossen und aufgenommen. Das Mischen allerdings, das beim letzten Mal noch ein Jahr gedauert hatte, ging nun innerhalb einer guten Woche vonstatten. Mehr Zeit braucht es offensichtlich nicht, um solch einen Klotz zu stemmen. Tatkräftige Hilfe kam von Produzent Tobias Levin und von Misch-Poke (haha) Hannes Bieger in Kreuzberg.

Die Faszination des Augenblicks auf CD zu bannen, das Live-Geschehen„rüberzubringen“, darum geht es. Aber nur nebenbei. Das neue Kreidler-Album „Tank“ ist eine Versuchsanordnung in kreativem Stillstand. Die Stücke bewegen sich ohne Ausnahme in lediglich in einer Tonart, und egal ob sie vier oder sieben Minuten dauern, ob sie im 4/4- oder im 6/8-Takt geschrieben sind, sie bewegen sich aus dieser Tonart nicht einen Fatz raus. Und das ist hervorragend, denn dadurch hat man als Hörer Zeit, auf ganz andere Dinge zu achten als auf Harmonien – zum Beispiel was für verschiedene Geräusche, Clicks, Swooshes und Kraftwerk-Stampfer (die Achse Berlin-Düsseldorf, die auch die Band verbindet, hört man wieder einmal deutlich heraus) man alles in solch eine schwebende Tonart hineinpacken kann. Diese Stücke sind wie ein großer Wartesaal vor dem Augenblick, in dem endlich etwas geschieht, und wie das in Wartesälen so ist, kann man endlich einmal den Blick schweifen lassen und die am Rande liegenden Dinge wahrnehmen. „Evil Love“ zum Beispiel, das ist wie ein ins Abstruse verlängertes Vorspiel, und der Akt selbst, gar der Höhepunkt, das wird einfach alles verweigert. Oder „Gas Giants““: Wie da fast sieben Minuten lang per leisen Elektro-Feuerblitzen ein Kampf im Kleinen simuliert wird, der von der scheinbar glatten Oberfläche nicht in Zaum gehalten werden kann – ein äußerst unterhaltsamer Sturm im Wasserglas ist das, ein Auf-der-Stelle-Treten, das zu ornamentalen Mustern führt. Besonders das Schlagzeug ist auf „Tank“ von enormer Präsenz.

Als ich das letzte Mal in einem Flugzeug unterwegs war und die schier unglaubliche Sicht über die Alpen genoss, kreuzte einige 100 Meter unter uns plötzlich eine andere Maschine unseren Weg, und noch weiter darunter sah man die Reste vom Weiß des Kondensstreifens einer dritten, die gerade das Sichtfeld verlassen hatte. Dieser Augenblick war in hohem Maße künstlich und natürlich zugleich, fühlte sich ebenso organisch wie bedrohlich an. Und das hat mehr mit „Tank“ zu tun als nur die Tatsache, dass ich diese erstaunliche Platte da gerade im Ohr hatte.

Tina Manske

Kreidler: Tank. Bureau B (Indigo).
Die Homepage der Band und Kreidler auf Myspace.