Kein Reim auf die Welt
– „Ich war lange nicht mehr hier/ aber es hat sich nichts verändert“ – fast zwei Jahre waren sie nicht mehr hier, aber ihre Songs sind unverändert gut. Von Tina Manske.
Eines möchten Locas In Love gleich klargestellt wissen: „Winter“ ist NICHT ihr drittes Album nach „What Matters Is The Poem“ und „Saurus“, sondern ein Konzeptalbum aus der Reihe – eben ihr Winteralbum, man könnte auch Weihnachtsalbum sagen, das in der Popmusik ja auf eine lange Tradition zurückblicken kann. Von Anfang an ist man überzeugt, das sie wieder einmal etwas Besonderes geschaffen haben, mit minimaler Instrumentierung und besonders schönen Instrumenten (unter anderem Ukulele, Lap Steel, Mandoline, Toy Piano, Pauken, Chimes und Vibraphon), produziert in einer Wohnzimmeraktion, als kompromisslose Selbstermächtigung einer Band, ohne großes Geld, ohne große Produktion, dafür aber mit sehr guten befreundeten Gastmusikern wie Sam Lavazzara am Schlagzeug oder Kyle Resnick an der Trompete.
Sofort beim Opener „Packeis“ fühlt man umarmt mit den wenig kaminfeuertauglichen Zeilen: „Vergrabt mich im Packeis und holt mich erst wieder raus/ wenn die Forschung weit genug ist meine Wunden zu heilen“. Und kaum hat man sich von der leisen Melancholie Stefanie Schranks in „Eulen“ erholt („alle sind so allein“), kommt mit „Maschine“ auch schon einer der großartigsten Songs von Locas In Love überhaupt. „Ich bin keine Maschine, ich werde nicht funktionieren/ es geht nicht gut, ich bin keine Maschine“, singen Björn Sonnenberg und Stefanie Schrank, das Ganze unterlegt mit warmen Streichern und Bläsern. „Ich will diese Parole an Wänden sehen und auf Rucksäcken“, und das wollen wir auch. Sofort! Überhaupt möchte man ständig zitieren aus diesen Liedern.
Dann „ICE Wilson Bentley“, ein Song aus einer Zeit, in der die Züge noch Namen hatten statt Nummern. „Ich komm am Samstag mit dem Zug an/ kann mich jemand abholen?“ – wie leicht könnte solche eine Zeile von Vorwurf durchzogen sein, man hört direkt das scharfe doppelte K; bei Sonnenberg wird der Refrain dieses Driving-home-for-Christmas-Songs im Dreivierteltakt zu einer sanften Einladung, inklusive leisen Schlittenschellen. Man weiß ja, was einen erwartet, bei der Familie, daheim, wo auch immer. Es verändert sich ja doch nichts, oder verändert man sich nur selbst nicht? Unentschieden. Es wird hier auch nicht angeklagt, sondern hingenommen, aber nicht resigniert, sondern selbstbewusst: „Nichts ist geheim/ es ist einfach nur kalt“. Locas In Love verweigern sich dem Reim auf die Welt, die Texte sind prächtige poetische Prosa ohne erzwungene Lautähnlichkeit.
Mit „Falling“ ist der Band ein unprätentiöses Remake des Titelsongs von David Lynchs „Twin Peaks“ gelungen, den Stefanie Schrank mit ihrer wunderbar naiven Stimme intoniert. Und kann es eine schönere Vorstellung von Romantik geben als die Zeile „Ich geh mir den Eissturm ansehen vom Fenster aus/ kommst du mit?“ (“Eissturm“)?
„Für den Umsturz den wir planen/ ist noch bis Frühling Zeit“, heißt es in „Wintersachen“, und dann wird en passant „die nächste Platte“ erwähnt. Es geht also gut weiter im neuen Jahr. Bis dahin aber hören wir „Winter“, alles was von außen kommt müssen wir nicht hören. Lieber sitzen wir am Fenster beim Eissturm, denn wir sind bei Locas In Love in schützenden Händen. Die Musik dieser Band ist tatsächlich von beispielloser Schönheit – wie ein Schneekristall.
Tina Manske
Locas In Love: Winter. Sitzer (Vertrieb: Broken Silence).
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