Geschrieben am 7. März 2012 von für Musikmag

Mohr Music: Dance!

Sly & Robbie: Blackwood DubBewährter Dub-Kosmos

– Zum Glück ist Karneval vorbei und man kann sich wieder unbehelligt ins Nachtleben stürzen – zum entspannten Eingrooven zuhause empfiehlt sich da das aktuelle Album der jamaikanischen Dub-Legenden Sly Dunbar & Robbie Shakespeare, “Blackwood Dub”. Außerdem locken die legendären DJ-Kicks sowie die – im negativen Sinne ebenso legendären – Pacha-Hits zum Tanz. Christina Mohr groovt.

Lange Zeit gab es nichts Neues der beiden Producer und Musiker (Bass und Schlagzeug – was sonst?) Sly Dunbar & Robbie Shakespeare zu hören, doch 2012 könnte nicht passender gewählt sein: schließlich feiert Jamaika heuer 50 Jahre Unabhängigkeit. Als hätte ihr Album staatstragendes Gewicht, machen Sly & Robbie auf “Blackwood Dub” keine Experimente, abgesehen davon, dass sie die Platte nicht selbst produziert, sondern sich auf die skills von ihrem Kumpel Alberto “Burur” Blackwood verlassen haben. Mit im Mixing Lab Studio waren außerdem altbekannte Sly & Robbie-Weggefährten wie Daryl Thompson, Sticky Thompson, Skully oder Mikey Chung. Heißt: “Blackwood Dub” klingt fast durchgehend nach den frühen 1980er-Jahren, die im Werk von Sly & Robbie ja nicht die schlechtesten waren, ganz im Gegenteil.

Die Beats wummern, wabern und pluckern polyrhythmisch wie es sich gehört, bewusstseinserweiternd mit viel dumpfem Wah-Wah, Hall und nochmals Hall unterlegt, natürlich ohne Vocals, nowhere. Schläfrig, aber vibrierend, pulsierend – großartig. Bei Tracks wie “Dirty Flirty”, “Frenchman Code” oder “The Bomber” beben die Schrankfächer – und zwar auch die vom Nachbarn untendrunter. Blicke nach vorne bzw. aus dem bewährten Dub-Kosmos heraus gibt es kaum, Sly & Robbie scheinen sich in dem von ihnen erfundenen Genre nach wie vor sehr wohl zu fühlen und strahlen das in aller Gemütlichkeit auch aus. Wer nach neuen Impulsen in Dub sucht, muss woanders suchen. Wem das zu anstrengend ist, wird auch mit den zehn Tracks von “Blackwood Dub” ganz zufrieden sein.

Sly & Robbie: Blackwood Dub. Groove Attack. Zur Homepage.

 

DJ-Kicks: The ExclusivesBest-of der aktuellen Dance-Szene

Seit 17 Jahren gibt es bei !K7 die Reihe DJ-Kicks – “The Exclusives” ist die immerhin 38. Ausgabe der Mixalben, die laut dem Label-A&R Phil Howell “zwischen den hunderten kostenlosen Podcasts, die jeden Monat veröffentlicht werden, herausragen sollen.” Howell muss sich keine Sorgen machen, denn die Marke DJ-Kicks spricht für Qualität: die Kicks-Mixe von Kruder & Dorfmeister, den Stereo MCs oder Smith & Mighty verkauften sich vieltausendmal; in der jüngeren Vergangenheit durfte man sich über Zusammenstellungen von angesagten Künstlern wie Hot Chip, The Juan MacLean, Kode9 und Gold Panda freuen.

“The Exclusives” ist die zweite Ausgabe dieser Art und so etwas wie ein Best-of oder ein Who-is-Who der aktuellen Dance-Szene, kundig kompiliert und mit viel Sinn für Dramaturgie zusammengefügt: mit Four Tets “Pockets” startet man mit feinnerviger Percussion, übergehend in Henrik Schwarz‘ gefühlvolles “Imagination Limitation”, um dann vom sanft- quirligen Synth-Electro-Pop von Hot Chip (“My Piano”) über Booka Shade und Chromeo immer dringlicher in Richtung Club geschubst wird.

Mittelstück und Höhepunkt des Albums ist Juan MacLeans über zehn Minuten lange Disco-Hymne “Feel So Good”, die Giorgio Moroder ebenso zitiert wie 1990er-House – danach muss man wieder ein bisschen zu sich selbst kommen, wobei die ruhigeren, instrospektiven Dubstep-Tracks von Holden und Kode9 behilflich sind; mit Apparat und Soul Clap startet eine originelle Reanimierungsphase, die sich mit Neuberliner Scuba und seinem blubbernden “M.A.R.S.” zu einer sonischen Expedition aufmacht. Am Schluss befindet sich – konstituierendes Element jedes DJ-Kicks-Mixes – ein komplett neuer Track, hier “Fountainhead” von Photek & Kuru. DJ-Kicks sind Partys mit Anspruch und immer wieder ein geschmackvoller Genuss.

DJ Kicks: The Exclusives. !K7. Zum Label und zur Homepage von Dj Kicks.

Pacha 2012Eine Wanne voll Wodka-Götterspeise, bitte!

Wenn die DJ-Kicks die Crème de la Crème aktueller Dance-Kultur darstellen, befinden sich die “Pacha”-Compilations am gegenüberliegenden Ende der Geschmacks- und Stilskala. Das Pacha auf Ibiza ist angeblich der bekannteste Club der Welt – auf besagter Welt gibt es allerdings seit 45 Jahren eine schier unüberschaubare Menge an Pacha-Franchise-Discotheken, vielleicht wurde da auch mal doppelt gezählt. Wie dem auch sei: im Pacha (dem auf Ibiza) veranstaltet u. a. David Guetta seine “F*** Me, I´m Famous”-Partys, es gibt Pacha-Parfum, einen mehr oder weniger exklusiven Mitglieder-Club, statt Hasenöhrchen bilden zwei pralle, dralle Kirschen das Pacha-Logo, und ja, das soll alles genau so sein. Und weil das Pacha zuallererst ja eine Disco ist, erscheinen in regelmäßigen Abständen dicke Box-Sets mit mindestens drei CDs und ungefähr 60 Tracks, die von den Resident-DJs im Battlestyle gemixt wurden – die reine Hölle, muss man mal deutlich sagen.

Ob jetzt Jean Elan gegen John Jacobsen antritt (CD 1), Hanna Hansen gegen Peter Brown oder Matt Myer gegen Josef Bamba (wer sind diese Leute??) und Titel wie “Drive In” von Tom Buster oder “Almdudler” von Francesco Diaz verwursten – billige, schnelle Beats, Kirmestechno, hohler Pseudo-Vocalhouse und Eurotrash vom Allerheftigsten. Uff. Geht – wenn überhaupt – nur nach einer Wanne voll Wodka-Götterspeise, aber dann ist ja sowieso schon alles egal.

Pacha 2012. 3 CDs. Ministry of Sound. Zur Homepage.

 

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