Geschrieben am 6. November 2013 von für Musikmag

Mohr Music: Novemberfreundinnen

mohrmusic_logoFreundinnen für den November: Perera Elsewhere, Maria Taylor und Big Fox

– Leute, ich sag’s euch: dieses Mal hat mich der November kalt erwischt. Buchstäblich. Eben war noch Spätsommerfeeling angesagt mit Draußensitzen in leichter Jacke; wrumms, schon gilt „Winterzeit“ mit unnatürlich früher Dunkelheit, aufgepeppt mit Regenwetter, Stürmen und Teenagern mit Ghostface-Masken am heiligen Reformationstag (vgl. Marion Käßmanns Anti-Halloween-Lamento in der Frankfurter Rundschau).

Normalerweise perlen Jahreszeitenwechsel an mir ab wie Wassertropfen auf Polyurethan, aber 2013: volles Programm Depristimmung. Ständige Müdigkeit geht Hand in Hand mit Gereiztheit und Genervtsein; es ist von allem zu viel und gleichzeitig zu wenig; Rastlosigkeit wird gebremst von bräsiger Lethargie. „Ist das wieder so´ne Phase oder bleibt das jetzt für immer so stehen? / Werd‘ ich jemals wieder aufstehn, mich anziehn und auf die Straße gehen?“, möchte ich mit den Lassie Singers wehklagen und mache es lieber doch nicht, denn es würde mich noch weiter ‚runterziehen.

pereraelsewhere_everlastGlobetrotterin und Grenzüberschreiterin

Selbstredend gibt es -zig Lassie-Lieder, die mich wieder nach vorne bringen, aber in dieser Kolumne soll es ja um aktuelle Musik gehen – zum Beispiel um „Everlast“, Soloalbumdebüt von Sasha Perera alias Mother Perera alias Perera Elsewhere: Die gebürtige Londonerin mit srilankesischen Wurzeln lebt in Berlin, arbeitet als DJ und ist Sängerin und Songwriterin des BPitch-Acts Jahcoozi.

Eine wahre Globetrotterin, Grenzüberschreiterin – die eigentlich gar nicht vorhatte, neben Jahcoozi ein Soloprojekt auf die Beine zu stellen. Aber wie es so ist: da bastelt man (also nicht ich, sondern Frau Perera) zuhause in aller Ruhe an ein paar Tracks und merkt plötzlich, dass im Grunde schon ein ganzes Album fertig ist. Die Songs hätten auch Jahcoozi-Songs werden können, aber der Reiz lag für Perera in der Simplizität und Reduziertheit der Stücke.

Über der ersten Hälfte des Albums liegt eine leicht schläfrige, triphoppige Atmosphäre mit weichen Beats, Hall und Delay; ein bisschen träumerisch, mit vereinzelten („Bizarre“) lynchigen Momenten. Bei „Giddy“ ist der von Sasha Perera hochverehrte Gonjasufi zu hören, die beiden Stimmen umraunen sich und geben ein perfektes Kosmopoliten-Duett ab; in „Bongoloid“ schlingern wacklige, aber zwingende Grooves, in „Light Bulb“ oder „Dreamt That Dream“ sorgen Akustikgitarre und Percussion für eine vage sentimentale Anmutung, aus der warm und kräftig Pereras Stimme aus einer unbestimmten Vergangenheit zu erzählen scheint – was aber nicht der Fall ist: die Texte drehen sich um gesellschaftliche Ungerechtigkeit, Geschlechterdiskriminierung, Korruption. Den ganzen aktuellen Mist eben – auf anheimelndste Weise dargebracht.

Perera Elsewhere: Everlast. Friends of Friends (Alive). Elsewhere bei Facebook.

mariataylor_somethingaboutknowingSonnig-relaxte Alternative-Frontporch-Country-Poppigkeit

Noch anheimelnder ist das neue Album von Saddle-Creek-Darling Maria Taylor geraten: Auf „Something About Knowing“ präsentiert sich die eine Hälfte von Azure Ray (Orenda Fink ist die andere) als heiter gereifte Mutter und Frau, die ihren Weg gefunden hat. Das klingt vielleicht langweilig, holt mich in seiner sonnig-relaxten Alternative-Frontporch-Country-Poppigkeit genau dort ab, wo ich mich bisher so gar nicht vermutet hatte: auf der sonnig-relaxten Alternative-Country-Frontporch nämlich. Maria Taylor scheint derzeit ein glückliches Leben zu führen, auch wenn sie das nicht ganz so deutlich ausdrückt: „In the past, I wrote when I was sad or depressed, this was the first time I wrote songs when I wasn´t sad. If there were tears in my life, they were happy tears.“

Songs durch einen Glückstränen-Schleier hindurch geschrieben also – könnte kitschig werden, befürchtet hier die Misanthropin, aber habt keine Angst: Anmutig und mit leichter Hand geleitet uns Mama Maria durch Matsch und Schmodder und trocknet mit wundervollen Songs wie „Folk Song Melody“ oder „A Lullaby for You“ jede Träne oder bringt dieselben erst recht zum Fließen. Das Album ist emotional, aber wie gesagt, eher heiter und milde statt grüblerisch. Und bei „Tunnel Vision“ gibt es sogar Synthies und Groove, jawohl – auf der Veranda wird getanzt! Aber bitte nicht so laut aufdrehen, damit das Baby nicht aufwacht!

Maria Taylor: Something About Knowing. Saddle Creek. Taylor bei Facebook.

big foxAugenzwinkernd-ironisch

Auf schwedischen Pop reagiere wegen seiner beängstigenden Perfektion ich oft ungerecht skeptisch; es tut mir ja auch Leid, dass mich nach den Cardigans kein anderer Schwedenpop mehr so recht überzeugen konnte. (Und The Knife/Fever Ray spielen in einer anderen Liga, das dürfte klar sein).

Charlotta Perers alias Big Fox schafft es aber gerade, mir schwedischen Pop wieder näher zu bringen. Big Fox vereint – vergleichbar mit Singer-/Songwriterinnen wie Anna Ternheim, Regina Spektor oder Feist – künstlerischen Anspruch mit süßen Melodien, die Stücke changieren zwischen Pop und Folk, Nostalgie und Moderne, Leichtigkeit und Ernst, süß und bitter. Perers/Fox spielt hauptsächlich Klavier, ihre raue Stimme erinnert manchmal ein bisschen an Cat Power, aber das ist ja eine wunderbare Referenz.

Die Songs sind auf eine Weise „einfach“, die es ermöglicht, sie sofort mitsummen zu können, aber nicht auf aufdringlich-hittige Weise. Mal abgesehen von „Romantic Movie Love“, das ein echter Hit ist, aber dabei gleichzeitig so augenzwinkernd-ironisch klingt, dass jeglicher Verdacht des Allzu-Mainstreamigen sofort von ihm abfällt. „Now“ ist das zweite Album von Big Fox und es ist an dieser Stelle eindeutig als Kompliment gemeint, wenn ich sage, dass es klingt wie ein Debüt.

Also: es geht mir schon viel besser, mein Dank geht an Perera Elsewhere, Maria Taylor und Big Fox. Jetzt bin ich wieder stark genug für die Lassie Singers 😉

Christina Mohr

Big Fox: Now. Hybris (Cargo). Zur Homepage.

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