Geschrieben am 29. April 2010 von für Musikmag

Nachlader: Koma Baby Lebt!

Dada oder Gaga?

Nachlader lädt nunmehr zum zweiten mal nach. Mit irritierender Ironie besingen Daniel Baumann und seine Mannen Alltag und Abenteuer ganz normaler Aussteiger. Von Jörg von Bilavsky

„Wenn Du denkst, Du kannst es besser, dann geh’ doch Nahause. So sieht’s aus!“ Geht Elektropopper Daniel Baumann mit den bösen Kritikern seiner CD „Koma Baby lebt!“ gleich so scharf ins Gericht? Glaubt er etwa schon im Opener „Nahause“, dass man seinen eher einfach strukturierten Songs vielleicht keinen Beifall spenden wird? Man kann es so, muss es aber nicht so interpretieren. Seit seinem Erstling „Bock auf Aphorismen“ hat der Berliner Musiker seine Synthie- und Samplekünste jedenfalls verfeinert. Gitarrenriffs und Schlagzeugsolos sind keine Seltenheit mehr. Freilich steht der gute alte 80er-Synthiesound Takt für Takt immer im Vordergrund, unüberhörbar aber auch rockigere Elemente wie in den Tracks „Soll/Haben“ oder „Allein“, etwas smoother in „Komm mit“. Was das Dutzend neuer Songs miteinander verbindet ist aber vor allem ihr tanzbarer Groove, gespeist aus schillernden Sequenzen und beschwingten Beats.

Irritierend und ironisch

Mitunter können die von ihm gern wiederholten Sequenzen und Strophen freilich auch ermüden. Doch meist wird man durch den spritzigen Sound und witzige Wortspielereien wach gehalten. Vor allem die zweite Singleauskopplung „Pommes und Disco“ hat das Zeug zum Ohrwurm: Die leicht infantilen Zeilen „Es geht nicht immer nur Ernie, manchmal muss man auch Bert, doch Du hast dich schon Jahren dagegen gesperrt“ werden auch den letzten Faulenzer aus dem Sessel oder von der Couch wirbeln. Vielleicht ist der unterhaltungssüchtigen Spaßgesellschaft ja nur mit unterhaltend verpackten Botschaften beizukommen.

Daniel Baumann treibt aber nicht beißender Protest oder politischer Eifer an. Selbst in „Raus auf die Straße“ beflügelt ihn im Grunde mehr die ironische Attacke auf all jene Stubenhocker, die glauben, das World Wide Web sei die große weite, reale Welt. Die meisten seiner Texte grundiert jedoch eher der Charme dadaistischer Prosa. Oft genug ist der Pop-Poet einfach nur verliebt in den Kontrast absurder Bilder und ebenso abgedrifteter Reime. Wie etwa in dem ‚himmlischen‘ „Air Italia“, wenn er über den Wolken in italienischen Genüssen schwelgt, während am Boden die triste Wirklichkeit vorbeizieht („Über den Wolken Carpaccio, unter den Wolken mehr Macho“). Er und seine Mannen von Nachlader haben letztlich nur ein Konzept: den Alltag und die Abenteuer ganz normaler Aussteiger zu besingen. Und das so irritierend und ironisch wie möglich.

Jörg von Bilavsky

Nachlader: Koma Baby Lebt! BiongBoing (Vertrieb: Rough Trade).

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