Das Paradies als große Sexparty
– Einfach zu viele Ideen, um lange an einer rumzumachen und zu -schrauben, wenn doch nebenan schon die nächste Melodie mit ihren kleinen festen Brüsten lockt!
Von Tina Manske
Seit dem Album „Sunlandic Twins“ verfolgen wir hier schon das Schaffen dieser Ausnahmeband aus Athens, Georgia, mit Wohlwollen und wachsender Begeisterung. „Skeletal Lamping“ ist nun die neue Kopfgeburt von Kevin Barnes, dem Komponisten, Sänger und Produzenten dieses verrückten, genialen Haufens. Mittlerweile ist der Sound von Of Montreal endgültig nur noch mit solchen Meilensteinen der Popmusik wie David Bowie oder The Talking Heads zu vergleichen. Barnes‘ idiosynkratische Soundstrukturen sind seit dem letzten Album „Hissing Fauna, Are You The Destroyer?“ noch wilder geworden – dieser Mann hat einfach zu viele Ideen, um lange an einer rumzumachen und zu -schrauben, wenn doch nebenan schon die nächste Melodie mit ihren kleinen festen Brüsten lockt! „I want you to be my pleasure puss/ I wanna know what it’s like to be inside you“ („Plastis Wafer“), intoniert Barnes dann, reißt sich die Klamotten vom Leib und taucht ein. Kaum hat man als Hörer an einem Keyboard-Hook oder einer Spinett-Weise Gefallen gefunden, schon wird das Ding zerstört und in alle Himmelsrichtungen zerstreut, um Platz zu machen für den nächsten dirty f u c k.
Ach ja, genau: Anstatt all der Hip-Hop-Platten sollte diese hier mit einem explicit-lyrics-Aufkleber versehen werden – grundsätzlich geht’s die ganze Zeit ums Ficken, Bumsen, Blasen, wenn auch nicht unbedingt in dieser Reihenfolge, sondern kreuz und que(e)r. „I’m so sick of sucking the dick of this cruel world/ I’ve forgotten what it takes to please a woman“, singt Kevin Barnes in „St. Exquisite’s Confessions“, an anderer Stelle lässt er seine Lover wissen, was er mit ihnen alles machen will: „I wanna make you come 200 times a day“ usw. usf., aber hier klingt das nicht nach dickhosigem Muckertum, sondern nach – wieder einmal – einem Ritt auf der jüngeren Musikgeschichte, bis man sie zum Quietschen bringt. Folgerichtig fand sich beim überwältigenden Konzert im Berliner Lido am letzten Sonntag die Schnittmenge aus Queer-Community und Leuten mit unfehlbarem Geschmack zielsicher ein. Da ließ sich Barnes dann den nackten Oberkörper mit roter Farbe anmalen, während im Hintergrund wilde Comic-Animationen flackerten. Links und rechts der Bühne hatten sich schon halbe Fanclubs aus kreischig hüpfenden Menschen gebildet, während Barnes eingerahmt von abstrus verkleideten Figuren wie aus einer mittelalterlichen Oper sein Falsett sang.
„Skeletal Lamping“ ist die Beschreibung des Paradieses als große Sexparty. Schon das Albumcover kommt als ein Kunstwerk daher und öffnet sich wie eine wollüstige Blüte den Blicken und Händen des Konsumenten. Wir sind schon längst süchtig nach diesem Rundum-Kick.
Tina Manske
Of Montreal: Skeletal Lamping. Polyvinyl (Vertrieb: Cargo Records).
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