Authentischer Schmerz
– „Ich trink auf dich dutzende Flaschen Wein und will doch viel lieber eine Made sein“: „Vater“ ist der Opener und zugleich Herzstück des zweiten Albums von Anja Plaschg aka Soap&Skin. Der Track vermittelt direkt, was „Narrow“ ist: Ein Denkmal für ihren plötzlich im Juli 2009 verstorbenen Vater.
Soap&Skin, die ohnehin für tieftraurige, ins Depressive gleitende Musik bekannte Österreicherin, verleiht ihrem persönlichen Kummer Ausdruck und führt damit ihr künstlerisches Schaffen auf eine neue Ebene. Was auf dem Debüt „Lovetune For Vakuum“ noch als intensive im Weltschmerz verhaftete Litanei daherkam, verwandelt sich in konkreten Schmerz. Die Allgemeinplätze von Liebe und Tod sind biographischem Empfinden gewichen. Dennoch gleitet „Narrow“ niemals in eine zur Schau gestellte Innerlichkeit ab, sondern birgt ewige Wahrheiten über den Verlust.
Wie große literarische Werke lässt Plaschg aus ihrer persönlichen Erfahrungswelt ein erhabenes Stück Musik über den Tod, Abschied und Trauer erwachsen, das in einer schnelllebigen Zeit wie der unsrigen Anspruch auf Ewigkeit erhebt. Authentisch und instrumental ausgefeilt reiht sich „Narrow“ mühelos in die Tradition klassischer Requien ein – ein Requiem des 21. Jahrhunderts, das düsterer Popsong ist, ohne sich in Gothic-Plattitüden zu verlieren.
Auf der Platte finden sich acht beklemmende Stücke, die neben inhaltlicher Schwere virtuose Kompositionen in sich bergen. Anjas Klavierspiel hämmert die Texte mit einer lieblichen Grausamkeit in den Kopf des Hörers. Ihre Stimme reicht vom kalten, durchdringenden Timbre einer Nico bis hin zum Geschrei antiker Furien. Wenn sich das große Drama in seiner bleiernen Opulenz entlädt, wird es im nächsten Augenblick sanft zurückgenommen. Und ja, trotz allem, finden sich warme, umschmeichelnde Momente auf „Narrow“, die ihrerseits wieder von Streichern und elektronischen Samples zerstört werden.
„Narrow“ ist Nacht, ist Unterwelt; spielt mit semantischen Verschiebungen, wenn aus Deathmetal der Song „Deathmental“ wird, entwirft verstörende Wiegenlieder („Cradlesong“) und covert ehedem traurige Pophits („Voyage Voyage“) zur Begleithymne ins Reich der Toten auf dem Fluss Styx.
Standing Ovations
Am 12. Februar brachte Soap&Skin ihre Klagelieder auf die große Bühne der Volksbühne. Eine gespenstige Inszenierung mit viel Nebel und fünfköpfiger Orchesterbegleitung, die wie Gespenster auf der Bühne thronten. Für Lacher sorgte der Stimmenausfall bei der Textzeile „You make me smile with my heart.“ Bei so viel Hedonismus kann man sich schon mal verhaspeln. Introvertiertheit am Klavier und exzentrischer Tanz zu wummernden Beats – ein abwechslungsreicher Abend, den das Publikum euphorisch mit Standing Ovations dankte. Und dann wagte sich Anja Plaschg zum Schluss, als sie von der Menge ein drittes Mal auf die Bühne geklatscht wurde, an Nicos Version von „The End“ heran. Blasphemie? Nicht im Geringsten! Es bleibt zu hoffen, dass die zwei Alben erst der Anfang waren. In diesem Sinne: „Dont’t forget to break to keep you awake” (“Wonder”).
Janine Andert
Soap&Skin: Narrow. Play It Again Sam (Rough Trade). Die Sängerin bei Facebook und auf ihrer Homepage. Reinhören bei Soundcloud.