Verführerische Unruhe
Die Sofa Surfers hauen auch mit ihrem sechsten Album ihre Fans wieder mal von der Couch. Mit Zuckerbrot und Peitsche. Von Jörg von Bilavsky
Er klingt so harmlos, der Bandname: Unter „Sofa Surfers“ stellt man sich Computerjunkies vor, die den lieben lange Tag nichts anderes tun, als die unendlichen Weiten des World Wide Web zu durchstreifen. Die „wahre“ Welt um sich herum vergessend, nur auf Zeitvertreib und Spaß programmiert. Doch wer die Elektro-Dub-Rock-Institution kennt, hat sich schon längst an rauere Klangwelten gewöhnt. Das Wiener Quintett legt Wert auf nachdenkliche Texte und die kompositorische Kreuzung zwischen Noise-Rock und Elektrobeats.
Nicht nur zum Mitschreien
Waren sie seit ihren Anfängen noch auf einem unklassifizierbaren Technotrip, so sind sie spätestens 2005 mit dem „roten Album“ in ganz andere Soundsphären vorgedrungen. Nicht nur die soulige, bisweilen an das samtige Organ von Phil Collins erinnernde Stimme ihres neuen Sängers Mani Obeya setzte neue Akzente, sondern auch der schneidend-scharfe Gitarrensound verlieh ihnen das letzte Quäntchen Originalität. Mit „Blindside“ haben sie diesen Weg fortgesetzt. Der von impulsiven Riffs getragene Opener „Playing The Game“ oder die virtuose Rocknummern „Gutcut/U.D.H.W.“ und „Heavy Water“ mögen vielleicht zum „Headbangen, Springen und Mitschreien“ einladen, wie es der Pressetext vollmundig verspricht.
David Lynch lässt grüßen
Die meisten anderen der neun Songs sorgen auf sanftere Art für Seelenlärm. Das mysteriös-düstere „Hardwire“ würde jedem David Lynch-Film eine noch rätselhaftere Aura geben. Und auch der elegische Siebenminüter „Sinus“ wiegt uns nur scheinbar in emotionaler Sicherheit. Die schon bald im Hintergrund pulsierenden Geräusche und Klänge geben dem Song eine verführerische Unruhe, die auch dem getragenen, leicht nervösen „Deserter“ eigen ist. Nicht von ungefähr begleiten die Österreicher den Privatdetektiv Simon Brenner schon seit Jahren bei der Aufklärung schräger Mordfälle. Filmmusikalisch versteht sich. Die unkonventionellen Verfilmungen der ebenso ungewöhnlichen Krimis von Wolf Haas vertragen den abgefahrenen Sound der Sofa Surfers bestens, wenn diesem auch die Ironie der Romanvorlagen abgeht. Auch bei „Blindside“ geht es nicht hintergründig humorig zu, hier regieren musikalisch Zuckerbrot und Peitsche.
Jörg von Bilavsky
Label: Monoscope Audio (Vertrieb: Rough Trade).