Neue Platten von und mit John Grant, Peaches, PiL und den Fehfarben, gehört von Tina Manske.
John Grant: Grey Tickles, Black Pressure
John Grant, der größte Crooner unserer Zeit (sagen wir ein auf dem Boden gebliebener Rufus Wainwright) wechselt mit seinem neuen Album fast schon auf die helle Seite. Nach jahrelangem Seelenschmerz, Alkohol- und Drogenproblemen und dem Klarkommenmüssen mit seiner HIV-Positivität scheint Grant sich auf dem Weg der Besserung zu befinden – auf allen Ebenen. Nach einem beeindruckenden Intro, in dem die Liebe in einem mehrsprachigen Crescendo beschworen wird, nimmt uns die Platte hin zu im Universum Grants schon bekannten Plätzen. Denn auch wenn nicht nur Moll vorherrscht, ist Grant natürlich immer noch dann am besten, wenn er die Drama-Queen spielt. Das ist gleichzeitig Erfolgsgarant und Fluch seines Ansatzes: er ist nun mal der kräftige, bärtige Baumfällertyp, der völlig klischeefrei über schwule Liebe singt.
Der Titelsong beschreibt noch einmal Grants Kampf gegen die Midlife-Crisis („black pressure“) mit Zeilen, die Allgemeingültigkeit beanspruchen können: „There are children who have cancer/ so I’m better off/ cause I can’t compete with that“, also Arsch hoch, raus, Songs schreiben, sowas. Phänotypisch für den neuen-nicht-so-neuen Sound Grants ist die Single „Disappointing“; über einen basslastigen Beat, der sich in jeder Disco gut machen würde, singt Grant von den Dingen, die er liebt, die aber alle vor dem geliebten Wesen abstinken: „all these things, they’re just disappointing compared to you“, inklusiv cheesigen Shoo-bi-doo-wab-babs.
Nachdem John Grant sich mit seinem „Pale Green Ghosts“ von Geheimtipp zu einem auch von einer größeren Menge beachteten Künstler entwickelt und nebenbei eines der besten Singer/Songwriter-Alben der letzten Jahre gemacht hat, ist „Grey Tickles, Black Pressure“ die natürliche Fortsetzung. Immer weiter so.
John Grant: Grey Tickles, Black Pressure. PIAS/Coop (Bella Union).
Peaches: Rub
Peaches, die große alte Dame des Pop-Feminismus, scheint dagegen mittlerweile von der allgemeinen Gendergeilheit eingeholt worden zu sein – einer Gendergeilheit freilich, die eben dieser Peaches einiges zu verdanken hat. Fast jedoch möchte man ihr raten, sich doch jetzt mal andere Themen zu suchen. Denn in Zeiten wie diesen, wo eben jeder Honk denkt, er sei cool, weil er möglichst viele F-Words in seine Texte einbaut, ist es eben auch nichts Besonderes mehr, in einem Song möglichst oft die Zeile „Two balls and one dick – balls, balls, dick, dick“ („Dick In The Air“) unterzubringen, auch wenn man die erste war, die sowas schon um die Jahrtausendwende getan hat. Und auch die Musik zwischen Hip-Hop und elektronischen Beats ist nicht die Neuerfindung des Rades. „Tilt on my pussy, whistleblow my clit/ watch it open up cause it can’t keep a secret“ – jaja, schon, die Frage stellt sich aber doch langsam: „What else (!) is in the teaches of Peaches?“
Peaches: Rub. I U She (Indigo).
PiL: What The World Needs Now
Auch nicht das Rad erfinden müssen PiL, rund um John Lydon geht es bei „What The World Needs Now“ druckvoll weiter wie eh und je. Hatten PiL bei „One Drop“ einen Ausflug ins Dub-Genre gemacht, regieren hier schon im Opener „Double Trouble“ wieder die Gitarren und der mehr als wiedererkennbare ‚Gesang‘ Lydons. Erst in der zweiten Hälfte geht Recken etwas die Puste aus und schlagen sie etwas leisere Töne an. „What The World Needs Now“ ist aber durchgängig unterhaltsam und übrigens natürlich auch politisch. In „Corporate“ singt Lydon von den „corporate murderers“, die „global villages“ machen aus dem, was einmal „one globe“ war. Die Welt braucht PiL vielleicht nicht unbedingt, aber viel mehr Spaß macht es mit ihnen natürlich schon.
PiL: What The World Needs Now. Pil Official (Cargo).
Fehlfarben: Über…Menschen
Auch immer weiter machen glücklicherweise die Fehlfarben. Keineswegs altersmilde singt sich Peter Hein immer noch in Rage gegen Großkonzerne, verdummende Medien und überhaupt die Allgegenwart der Doofheit. Angst vor launischen Kalauern hat man dabei nicht: „Als Rollator-Rebell im Kurhotel/ als Nordic-Walking-Queen am Zapfhahn ziehen“, mit so wenig Ernst macht sich Hein z. B. über die Best Ager lustig, zu denen er mittlerweile selbst gehört. Zur aktuellen Flüchtlingskrise haben sie auch schon den passenden Sinnspruch: „Viele müssen hier rein/ wir wollen raus“ („Rein oder raus“). Aber, und das ist das besonders Schöne, die Fehlfarben sind auch im größten Elend niemals fatalistisch: „Genießen wir einfach gemeinsam das Leben/ was besseres als hier, wo soll es das geben?“. Die Fehlfarben wissen, wie das geht, seinen Frieden machen und trotzdem kämpferisch bleiben.
Fehlfarben: Über…Menschen. Tapete (Indigo).