Geschrieben am 5. Juli 2016 von für Musikmag

Soundcollage: Immer mit der Ruhe

coyne_liebezeitRobert Coyne with Jaki Liebezeit: I Still Have This Dream

Bei allen anderen würde ich es wahrscheinlich hassen: diese Geräusche rund um das Umgreifen der Akkorde auf der Gitarre. Je-den-ver-damm-ten Griff kann man hören. Meine erste Freundin monierte bei meinen eigenen Gitarrenaufnahmen immer, dass da meine quietschenden Vögel im Hintergrund zu hören seien. Meine Vögel waren in diesen Zeiten wirklich besitzergreifend laut, aber was da auf den Aufnahmen zu hören war, war tatsächlich mein Rumrutschen auf den Saiten. Robert Coyne hat diese Geräusche zu seinem Markenzeichen gemacht. Bei Coyne und Liebezeit sind diese Geräusche jedenfalls Teil des großen Ganzen, sie sind Teil der Inszenierung. Man kann Robert Coyne quasi bei der Arbeit zuhören. Das Gleiche gilt aber auch für die maschinenmäßige Exaktheit von Jaki Liebezeits Drumming. Ich werde nicht müde, ihm bei seinen roboterartigen Percussions zuzuhören. Besonders live ist das immer wieder ein Erlebnis. Im Ergebnis bringen einen diese Sounds zurück zur Mitte. Zum Beispiel „Slow Down“: sehr beruhigende Vibes gehen von diesem Song aus. Dieses stumpfe Drumming ist so stumpf, dass es schon wieder virtuos ist. Schon bei ihrer ersten CD „The Obscure Department“ klappte das wunderbar, nun haben sie es zum Standard erhoben. Den Hörer freut’s.

swansSwans: The Glowing Man

Früher, ja früher, da gingen die Menschen zum Gebet in die Kirche. Heute reicht es, sich die neue Platte der Swans anzuhören. Aber was heißt schon Platte: „The Glowing Man“ ist ein Oratorium. Mit einer Spielzeit von insgesamt knapp 120 Minuten schlägt diese Doppel-CD natürlich alles, was sonst gerade auf dem Musikmarkt kreucht und fleucht. Aber nicht nur in der Länge, auch in der Breite sucht diese Band ihresgleichen.

Es dauert schon mal vier Minuten, bis Michael Gira beim Opener „Cloud Of Forgetting“ seine Stimme erhebt, aber daran gewöhnt man sich, denn Zeit ist bei den Swans sehr relativ. Dass man Geduld benötigt bei den Werken dieser Band, ist bekannt. Dass es sich lohnt, auch durch die Dürren mit ihnen mitzugehen, ebenso.

„Cloud Of Unknowing“ wartet ab der dritten Minute mit einer Wand aus Gitarren auf, die einem Racing-Day auf dem Nürburgring gleichen – das ist einfach großartig gemacht, selbst wenn man nicht auf Lärm steht, müsste man das mit gebeugtem Kopf lobend anerkennen.

„Puh, das ist aber anstrengend“, stöhnt meine Freundin nach nur fünfzehn Minuten. Nee, ist es nicht. Aber das merkt man vielleicht erst, wenn man sich bis zur 100. Minute (oder so) vorgekämpft hat. Dort winkt mit „Finally Peace“ nicht weniger als die Erlösung: eine sechsminütige, vom Chor wunderbar gesungene Ode an die Freude. „The Glory is mine“, bzw. gehört sie denen, die wahre Schönheit erkennen.

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