Geschrieben am 4. November 2015 von für Musikmag

Soundcollage: Klassiker revisited: Fela Kuti, The Alan Parsons Project, Harmonia, Miles Davis

felakutiFela Kuti – sechs Klassiker wiederveröffentlicht

Vom Altmeister des Afrobeats gibt es schöne Neuigkeiten. Das Label Knitting Factory Records hat sich – nachdem 2013 bereits ein großer Schwung des Backkatalogs dort wiederveröffentlicht worden war – weiterer sechs Alben angenommen und bringt diese nun auf Vinyl heraus. „Fear Not For Man“ (1977), „Beasts Of No Nation“ (1989), „Everything Scatter“ (1975), „Roforofo Fight“(1972), „Alagbon Close“ (1974) und „Na Poi“ (1976) werden dabei zum ersten Mal seit ihrer Erstveröffentlichung herausgegeben. Was soll man zu diesem Musiker und seiner Band noch sagen, das nicht von berufeneren Mündern schon gesagt worden ist? Seine Musik, bestimmt von Rhythmus und Wiederholung, wurde mit der Geometrie von Kreisen verglichen, die ebenfalls niemals enden (und von denen man auch gar nicht möchte, dass sie enden). Fela Kuti selbst scheint die Quadratur des Kreises gelungen zu sein: ähnlich groovy und gleichzeitig klassisch sind die wenigsten.

Fela Kutis Alben erscheinen bei Knitting Records.

81Y8VEsa-IL._SL1500_The Alan Parsons Project: The Turn Of A Friendly Card

Über dieses Album, erschienen im Jahr 1980, kann ich nicht anders berichten als grandios subjektiv. Denn es war meine erste Begegnung mit dem, was man gemeinhin ‚Konzeptalbum‘ nennt. Bis dahin kannte ich das nicht, dass Popalben auch zusammenhängende Geschichten erzählten, und ich bin mir sicher, das machte einen Gutteil der Wirkung aus, die das Progressive-Rock-Album „The Turn Of A Friendly Card“ auf mich hatte. Diese Erzählung eines Spielers, der seiner Sucht erliegt, alles auf eine Karte setzt und verliert, gehört – sorry für das Pathos – zu den Alben, die man einfach gehört haben muss. Es gibt so viele ikonische Songs auf dieser Platte: Der Basslauf und die Gitarre auf „I Don’t Wanna Go Home“ stellen mir auch heute noch die Haare zu Berge, „The Gold Bug“ ist DAS typische TAPP-Instrumental, das sie schon vorher bei „Eve“ und später mit „Sirius“ perfektionierten. Auch über die perfekte Melodieführung wusste man im Hause Alan Parsons damals schon sehr viel (siehe Titelsong!).

Und ja, auch ich weiß, dass „Time“ so kitschig und unerträglich ist wie nur was, und dennoch gehört der Titel einfach dazu zu dieser von Kitsch nicht gerade armen Platte. Allein die Stimme von Eric Woolfson! (Hier bitte ein Herzchen-Icon dazudenken.) Nicht zuletzt lernte ich mein erstes Englisch mit The Alan Parsons Project, Supertramp und Konsorten, weshalb mir diese Bands immer teuer sein werden. Will sagen: auch wenn ich heute die Flecken auf der weißen Weiße von „The Turn Of A Friendly Card“ sehe, liebe ich sie dennoch nicht weniger. So ist es wohl mit guten Freunden.

Für alle, denen es so geht wie mir, oder für die, die sich dieser Platte zum ersten Mal nähern wollen, gibt es nun, 35 Jahre nach ihrem Erscheinen, die „Deluxe Anniversary Edition“ mit vielen Bonus Tracks, Mixes und Early Versions.

The Alan Parsons Project: The Turn Of A Friendly Card. Arista (Sony).

harmoniaHarmonia: Complete Box

Alles begann mit „Musik von Harmonia“ (1974). Auf dem Cover des Debütalbums der Band von Hans-Joachim Roedelius, Dieter Moebius und Michael Rother prangte die Grafik einer blauen Flasche mit Reinigungsmittel – und schon hatte die deutsche Elektronikmusik ihre Ikone. Harmonias Einfluss auf die Musik, die man sich später einigte ‚Krautrock‘ zu nennen, kann nicht hoch genug geschätzt werden. Im eigenen Land wenig beachtet, fanden die Stücke von Harmonia bei Kollegen wie David Bowie und Brian Eno großen Anklang, und beide beteilgten sich später an Kollaborationen. Nachdem das Debüt kommerziell gefloppt war, erschien mit „Deluxe“ 1975 der von Conny Plank produzierte Nachfolger, und so nah wie hier kamen Harmonia dem Pop nie mehr. 1976 trennte sich die Band, um dann für die legendäre Zusammenarbeit mit Eno sich noch einmal zusammenzuraufen: „Tracks And Traces“ erschien allerdings erst 1997, da die Tapes lange Zeit als verschollen galten.

Verschollen ist jetzt nichts mehr, denn Freunde elektronischer Musik können sich jetzt für wenig Geld all diese Historie ins Haus holen. In der nun erschienenen Box „Complete Works“ enthalten sind neben dem Debüt die Alben „Live“ (1974), „Deluxe“ (1975), „Documents“ (1975) sowie „Tracks And Traces“ (1976).

Harmonia: Complete Works. Grönland (Rough Trade).

81vNyeH7ArL._SL1500_Miles Davis: At Newport

Bootleg? Kann doch nicht gut klingen! Oh doch, kann es wohl! Mit der vierten Lieferung der Bootleg Series von Miles Davis ist ein neuer kleiner Höhepunkt erreicht worden, denn die Aufnahmen vom Newport-Jazzfestival lassen nicht nur die Spielfreude der exklusiven Band um Miles Davis erkennen (u. a. Wayne Shorter am Saxofon und Herbie Hancock am Piano), sie zeigen auch, mit welcher Begeisterung das Publikum auf die Performances reagierte, die die Musiker an diesen Abenden zwischen 1955 und 1975 hinlegten. Nebenbei lernt man bei diesen acht Livegigs aus 20 Jahren, mitgeschnitten in Newport, New York, Berlin und Dietikon, eine Menge über die verschiedenen Zusammensetzungen und Dynamiken innerhalb der Band. Ergänzt wird diese pralle 4-CD-Box von einem ausführlichen Booklet mit vielen Fotografien sowie einem kleinen Poster.

Miles Davis: At Newport. The Bootleg Series Vol. 4. Columbia (Sony).

Tina Manske

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