Geschrieben am 23. Juli 2009 von für Musikmag

The Woodstock Experience

Sly & The Family Stone: The Woodstock ExperienceLegenden der Leidenschaft

Fünf Alben präsentieren fünf der herausragenden Bands von Woodstock als Doppel-CD-Package. Von Tina Manske

Im Jahr 2009 hetzt man von Jubiläum zu Jubiläum: Grundgesetz, CSD, Mondlandung, Mauerfall – alles hat runden Geburtstag und will gefeiert werden. Da wollen wir natürlich auf keinen Fall vergessen, was im im August des summer of love 1969 auf der grünen (und später schlammigen) Wiese vonstatten ging: in Woodstock traf sich damals die Jugend und feierte eine große Party, die bis heute zurecht legendär ist. Nun sind fünf Alben erschienen, die fünf der herausragenden Bands dieser drei außergewöhnlichen Tage als Doppel-CD-Package präsentieren.

Zum Beispiel Sly & The Family Stone: Die Uhr schlug bereits 3:30 a.m., als die Musiker die Bühne des Festivals betraten. (Selbst für Leute, die im heutigen Berlin ausgehen, ist das eine gewöhnungsbedürftige Uhrzeit). Trotzdem sorgte die Band, im Gepäck das neue Album „Stand“, das sich zu einer der einflussreichsten der Platten der 60er-Jahre entwickeln sollte, für eine begeisternde Atmosphäre, bei der sich Publikum und Band gegenseitig zur Ekstase peitschten, vorneweg Sly Stone. Mit ihrem Soul-Gospel-Set verwandelten sie das Schlammbad in eine Freiluftkirche. Zum Beispiel Janis Joplin: Zehn Stunden musste sie warten, bis sie endlich mit ihrem Auftritt dran war, so sehr verzögerte sich alles. (So lange harrt man heute noch nicht mal mehr für Ms. Winehouse aus). Dann aber gab’s kein Halten mehr: Joplin malträtierte ihre Songs mit einer Unbedingtheit, die einem noch heute Respekt einflößt. Allein ihre Version von „To Love Somebody“ der Gibb-Brüder ist den Kauf der CD wert. Dass ihre Stimme so manche Aussetzer hatte, tut der Intensität, die sie an diesem Tag versprühte, keinerlei Abbruch.

Schöne Erinnerungsstücke

Bei Jefferson Airplane wurde es politisch. Auch sie begannen mit großer Verspätung, doch die auf ihrem sechsten Album „Volunteers“ aufgenommene Vietnam-Fährte verfehlte ihre Wirkung beim größten Peace-Festival, das die Welt bis dahin gesehen hatte, selbstredend nicht, besonders als sie den Titelsong anstimmten. Michael Lang, Co-Produzent des Festivals, erklärt in den Linernotes, dass das Prinzip von Woodstock auch die Vorstellung bisher relativ unbekannter Musiker beinhaltete. Einer davon war Johnny Winter, der mit seiner Band aus dem Stegreif ein vor Energie nur so strotzendes Gitarrenset ablieferte. (Andere Unbekannte waren übrigens Crosby, Stills, Nash and Young sowie Joe Cocker – das änderte sich nach Woodstock schnell.) Apropos unbekannt: Als die Truppe um Carlos Santana die Bühne betrat, war auch sie gerade mal einigen Leuten aus der Bay Area ein Begriff. Nach ihrem Auftritt galten Santana als eine der größten Überraschungen des Festivals. Mit ihrer Mischung aus Latin Rock und Blues nahmen sie die Herzen der Zuschauer im Sturm. Zum ersten Mal ist hier auch ihre Woodstock-Performance des Superhits „Evil Ways“ auf CD veröffentlicht.

Zusätzlich zu den Aufnahmen der Auftritte ist jedem Paket eine zweite CD mit dem im Jahr 1969 aktuellen Album des Künstlers beigelegt, ebenso wie ein Poster, das in seiner Wendetechnik an die Bravo-Centerfolds erinnert – man kann jeweils zwischen einem Künstler-in-Action-Still und einer Totale des Publikums wählen. Alles in allem schöne Erinnerungsstücke eines Events, das Musikgeschichte schrieb.

Tina Manske

The Woodstock Experience. Janis Joplin/Jefferson Airplane/Johnny Winter/Santana/Sly & The Family Stone. Jeweils 2 CD + Poster. Columbia/Legacy (Vertrieb: Sony Music).