Geschrieben am 26. Januar 2011 von für Musikmag

ZAZ live in Berlin

Fieber und Wahn liegen oft nah beieinander. Ob man dem Wahn erliegt, hängt letztlich am Härtegrad der Infektion. Im Falle der hochgelobten Chansonnière ZAZ war bei vielen Kritikern die Fieberkurve Wochen und Monate zuvor dramatisch in die Höhe geschnellt. Jörg von Bilavsky prüfte den Hype beim Konzert in Berlin.

ZAZ live in BerlinEifriges Mitklatschen

Keine Frage: Hört man am heimischen CD-Player in ZAZs ebenso sensiblen wie charmanten Songs hinein, fühlt man sich von melancholischen Melodieschwaden und fesselnden Rhythmen gefangen. Entsprechend narkotisiert begibt man sich auf den Weg zur Konzerthalle in Berlin-Kreuzberg, wo es in „Huxley’s Neuer Welt“ das livehaftige Erwachen geben sollte. Die bunt gemischte Schar von Schülern aus Französisch-Leistungskursen und ebenso eifrig schnatternden Wahlberlinerinnen französischer Provenienz konnte den Auftritt der Newcomerin kaum erwarten. Der französische, aber englisch singende Support „Okou“ konnte wohl deshalb nur mäßigen Beifall für seine respektablen Folknummern erhaschen.

Die Masse war auf Chansons à la ZAZ gepolt. Doch als die quirlige Französin endlich auf die Bühne hüpfte, sprang der Funken nur mit einigen Aussetzern beim Publikum über. Erwiesen sich doch die mitreißenden Songs aus dem Studio im Saal nicht immer als die ausgemachten Stimmungsmacher. Wer ausgiebig zu schwungvollen Songs wie „Je Veux“, „Le Longue De La Route“ oder „Ni Oui Ni Non“ tanzte und tobte, war vor allem die Songwriterin selbst. Ihre Fans gaben sich zwar durch eifriges Mitklatschen zu erkennen, doch ein wirklicher Ruck wollte nicht so recht durch Deutschlands Zuhörer gehen.

Impulsiv

Gleichwohl lieferte die 30-jährige Sängerin eine beeindruckende Performance ab. Leidenschaft und Lebensfreude prägte jede Sekunde ihres gut 90-minütigen Auftritts, der mit zahlreichen Variationen gespickt war, mal ein virtuos verfremdetes Intro, mal ein explodierendes Solo des Gitarristen und Drummers. Die Bühnenshow lebte aber vor allem vom brüchigen Sound ihrer Stimme und ihrem unstillbaren Bewegungsdrang, obgleich ihr mitunter fratzenhaftes Powergebaren nicht recht zu dem weichgezeichneten Bild vieler ihrer deutschen Fans passen wollte. Die kamen vor allem bei langsamen Stücken wie „Eblouie Par La Nuit“ auf ihre Kosten. Auf einem Barhocker sitzend, die Augen geschlossen und ins fest umklammerte Mikrofon hauchend, machte die Chanteuse eine perfekte Figur.

Mit ihren ebenso rasanten Vorreden und Tanzeinlagen hat sie die des Französisch nicht allzu Kundigen wohl ein wenig eingeschüchtert. Solch eine impulsive Chansonnière ist den Deutschen vielleicht noch nicht ganz geheuer und Lichtjahre von den düster-melancholischen Auftritten der schwermütigen Piaf entfernt. Die deutsch-französische Freundschaft zwischen ZAZ und ihren Fans muss wohl noch ein wenig wachsen. Erste zarte Bande wurden am letzten Donnerstag geknüpft, mögen sie sich bei ihren kommenden Auftritten im Frühjahr festigen.

Jörg von Bilavsky

aktuelles Album: Zaz. Playon (Sony).

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