Geschrieben am 26. September 2009 von für Bücher, Crimemag

Adrian Hyland: Outback Bastard

Unzulängliche Heldin

Nach Garry Disher und Peter Temple scheint die australische Kriminalliteratur allmählich auch bei uns anzukommen. Und natürlich gab es schon immer Arthur W. Upfield. Den Newcomer Adrian Hyland hat sich Joachim Feldmann genauer angesehen …

Emily Tempest hat die Welt gesehen. Doch was sie suchte, hat sie offenbar nicht gefunden. Also kehrt die junge Frau dahin zurück, wo sie als Kind glücklich war. Tief im australischen Outback ist sie bei der Moonlight-Sippe aufgewachsen, nachdem ihre Aborigine-Mutter gestorben war. Ihr Vater, ein weißer Wanderarbeiter und Goldsucher, hatte sie dort untergebracht. Und nun ist sie nach zehn Jahren Abwesenheit zurück, ohne genau zu wissen, was sie eigentlich hier in einer Gegend, um die der zivilisatorische Prozess bislang einen Bogen gemacht zu haben scheint, überhaupt will. Zeit darüber nachzudenken, bleibt Emily allerdings nicht. Kurz nach ihrer Ankunft wird ihr alter Freund Lincoln Flinders, das von seinen eigenen Leuten, aber auch von den Weißen respektierte Oberhaupt der Gemeinschaft, brutal ermordet. Ein Verdächtiger ist auch sofort zur Hand: Blakie, ein ewig zorniger Einzelgänger, dem magische Kräfte nachgesagt werden. Doch Emily hat ihre Zweifel an dieser schnellen Lösung des Falls, obwohl sich der wilde, bärenstarke Zauberer durch Flucht der Verhaftung entzieht und so noch verdächtiger macht. Sie beginnt zu ermitteln und stößt rasch auf verdächtige Vorgänge, die mit den Wasser- und Weiderechten in der Region zu tun haben. Schließlich gibt es unter den weißen Farmern und Minenbesitzern einige, denen die Aborigines und ihre mühsam erstrittenen Ansprüche sehr im Wege sind.

Bony wär schneller gewesen …

Nun ist Emily Tempest zwar mutig und auch nicht auf den Mund gefallen, zum Detektiv taugt sie aber nur sehr bedingt. Wahrscheinlich hätte Napoleon Bonaparte, kurz „Bony“, den sein Schöpfer Arthur W. Upfield (1888–1964) seit 1929 eine kaum übersehbare Anzahl von Morden im australischen Hinterland lösen ließ, die Sache um einiges schneller in den Griff bekommen. „Bony“ – ältere Freunde des Genres werden sich noch an ihn erinnern, waren seine Fälle doch seit den späten 50ern auch bei uns als Goldmann-Krimis weit verbreitet – stammt ebenfalls zum Teil von Aborigines ab, ist aber ansonsten das krasse Gegenteil von Emily Tempest. Obwohl ihn seine Ermittlungen in die einsamsten Gegenden des australischen Kontinents führen, bleibt er der brillante Kriminalist in der Tradition der großen Detektivfiguren britischer Prägung. Immer makellos gekleidet und manchmal von einer bemerkenswerten Arroganz lässt Inspektor Bonaparte keinen Zweifel daran, dass er seinen Täter überführen wird. Emily Tempest dagegen folgt mit Leidenschaft falschen Fährten, um am Ende durch Zufall auf die wahren Hintergründe des Verbrechens zu stoßen. Und da ist es beinahe zu spät.

Raubvogel?

Diese Unzulänglichkeit aber ist es, die der Heldin in Adrian Hylands Roman Diamond Dove (dessen deutsche Ausgabe mit dem ebenso reißerischen, wie blöden Titel Outback Bastard interessanterweise einen Raubvogel auf dem Cover zeigt) unsere Sympathien einbringt. Dazu trägt ebenso der manchmal schnoddrige, manchmal sentimentale, aber niemals kitschige Erzählton bei, in dem Hyland seine Protagonistin von ihren Abenteuern berichten lässt. (Und der vom Übersetzer Peter Torberg wunderbar ins Deutsche übertragen wurde.) Schließlich muss sich Emily auch noch in der männerdominierten Welt des Outbacks durchsetzen, und das ist kein Zuckerschlecken. Über weite Strecken hat Outback Bastard mehr von einem Western als von einer Detektivgeschichte, ein zünftiger Showdown am Ende eingeschlossen. Und das geht natürlich glücklich aus. Unverändert miserabel hingegen bleibt die Situation der Ur-Einwohner Australiens, die den realistischen Hintergrund der Handlung bildet. Daran lässt der Roman keinen Zweifel.

Joachim Feldmann

Adrian Hyland: Outback Bastard. (Diamond Dove, 2006).
Deutsch von Peter Torberg.
Frankfurt am Main: Suhrkamp 2009. 365 Seiten. 8,95 Euro.