Geschrieben am 5. Dezember 2017 von für Bücher, Litmag

Andy Warhol (1): Seven Illustrated Books 1952–1959

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xl-andy_warhol_7_illustrated_books-cover_04668Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft

Alf Mayer über sieben frühe Bücher von Andy Warhol

Vor Facebook und Instagram gab es andere – und kreativere – Methoden der Selbstpromotion. Und wir lernen: Andy Warhol war hier ein früher Meister. In einem vom Verlag als „Baby Sumo“ betitelten Format – eine Schatztruhe, die sich in mehreren Schritten auffalten lässt – werden nun sieben seiner frühesten Werke wieder zugänglich. Zwischen 1952 und 1960 waren sie in Kleinstauflagen mit meist weniger als 100 Exemplaren erschienen, wurden zu begehrten und unerschwinglichen Sammlerstücken. Im Verlag Benedikt Taschen, der immer wieder für Überraschungen gut ist, erscheinen diese bibliophilen Kostbarkeiten nun als  Reprints, möglichst originalgetreu bis hin zu Format, Papier und handgefertigten Aufklebern, präsentiert in eben jenem „Baby Sumo“. Entzücken beim Auspacken und Öffnen garantiert.

no lit warhol00003707Karriere gesucht – Kreativität und Witz geboten

Ergänzt wird die Schatzsammlung durch einen großformatiges Begleitheft mit seltenen Fotos und einem einführenden Essay der Kunsthistorikerin Nina Schleif. 2013 initiierte und kuratierte sie die weltweit erste Ausstellung zu Andy Warhols Werk in Büchern im Münchner Museum Brandhorst und war Koautorin des Ausstellungskatalogs „Reading Andy Warhol“. Herausgeber Reuel Golden, einst Chefredakteur des „British Journal of Photography“, hat für Taschen bereits ein gutes Dutzend Bücher gemacht, so etwa die „Capitol Records“ (CulturMag-Besprechung hier), die Bände zu London und New York aus der Stadtporträt-Reihe  oder The Rise of David Bowie, The Rolling Stones, Her Majesty, Fußball in den 1970ern und Andy Warhol. Polaroids.

Warhol kam 1949 aus Pittsburgh nach New York, suchte eine Karriere als Gebrauchsgrafiker, vielleicht auch als Kinderbuchautor und –Illustrator. Um seine Kontakte zu pflegen, Kunden zu gewinnen und Freunde zu erfreuen, schuf er in seinen ersten Berufsjahren eine gute Handvoll handgefertigter, als Geschenk oder Mitbringsel geeignete Bücher mit eigenen Zeichnungen und skurrilen Texten. „Promotionals“ nannte er sie. Inhaltlich ließ er sich dabei von seinem Faible für Katzen, Essen, Schuhe, hübsche Jungs und hinreißende Mädchen leiten. Titel wie Love Is a Pink Cake, 25 Cats Named Sam und À la recherche du shoe perdu kommen leichtfüßig daher – und beschwingt macht es auch, darin zu blättern. Warhol zeigt Kreativität und Witz, spielt mit Stilen und Gattungen, mit Farben und Materialien, mit Perspektiven und auch mit Anzüglichkeiten. Nicht alles ist jugendfrei. Doch der Reihe nach.

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25 Katzen und viel Sonderbares

Love is a pink cake von 1952 war sein erstes solches Werk, ein Heft mit 25 Blättern und Wachspapiereinband. Elf Paare berühmter Liebender aus der Weltgeschichte, Antonius und Kleopatra dabei, Romeo und Julia, Chopin und George Sand oder Napoleon und Josephine. Mehr oder weniger limerickhaft gereimt, heißt es zum Beispiel:
Napolean loved Josephine,
made her Empress and Queen,
But never gave her all his heart –
such a man was Boneapart.
(Das lean (schlank) in Napoleon und die auseinander stehenden Knochen in bone apart volle Absicht.)

Büchlein Nr. 2, das Steindruckalbum A Is for Alphabet widmete jedem Buchstaben eine eigene Seite, Dreizeiler handeln je von merkwürdige Begegnungen zwischen Mensch und Tier, Warhols Zeichnungen sind minimalstische und wirkungsvolle Porträts.

Buch 3 erschien in beinahe 200 Exemplaren. Die 25 Cats sind farbenfroh und frech, ein sehr schönes Büchlein. Es war das erste gebundene Buch, das Warhol produzierte, einige der Katzen tauchten später in Anzeigen für Geschäftskunden wieder auf.

Buch 4, À la recherche du shoe perdu, ist nicht nur für Schuhfetischisten eine Freude. Die Bildtexte machen sich über allerlei Geistesleben lustig. „To shoe or not to shoe“ heißt es da, oder, wie auf den Einberufungsplakaten: „Uncle Sam wants shoe!“

Nr. 5, In the Bottom of My Garden, ist Warhols recht frivole Version eines Kinderbuchs, nicht frei von homoerotischen Anspielungen und voller fröhlicher Putten. „Do you see my little pussy“ heißt es zur Zeichnung eines Mädchens, dem ein Kätzchen aus der vor den Schoß gehaltenen Handtasche schaut. Neckisch ist der Abspann „The End“ auf zwei Pobacken drapiert.

Tatsächlich goldene Seiten hat A Gold Book von 1957, es ist eines der begehrtesten Sammlerstücke. Eine Thailandreise hatte Andy Warhol dazu angeregt.

Buch Nr. 7, Wild Raspberries betitelt und zusammen mit seiner Freundin Suzie Frankfurt verfasst, parodiert lustvoll und abenteuerlich ein Kochbuch. Ist sehr schräg.

150 Euro kostet die bibliophile Rekonstruktion dieser kleienn Schätze. Schon beim Auspacken und vorsichtigen Anschauen hat man das Gefühl, dass ihr Wert bereits steigt …

1962 war es dann, dass Andy Warhols Gemäldeserie „Campbell’s Soup Cans“ eine neue Kunstepoche einläuteten.

Alf Mayer

Andy Warhol: Seven Illustrated Books 1952–1959. Portfolio mit 7 Faksimiles. Format 34,6 x 47,5 cm. Herausgegeben von Reuel Golden, Essay von Nina Schleif. Verlag Benedikt Taschen, Köln 2017. Dreisprachige Ausgabe: Deutsch, Englisch, Französisch. 56-seitiges XXL-Begleitheft. 284 Seiten, 150 Euro. Verlagsinformationen.

Bildhinweis für die Abbildungen: © The Andy Warhol Foundation for the Visual Arts, Inc.

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