Faschist, Hooligan, Hacker
Eine recht ungemütliche Perspektive hat Angelo Petrella in seinem kurzen Roman Nazi Paradise gewählt, denn sein Ich-Erzähler ist ein junger, neapolitanischer Nazi-Skin, gewalttätiger Hooligan und Hacker. Das kann man so machen, findet Frank Rumpel.
Am liebsten reißt er Autonomen und Polizisten auf Demos „den Arsch auf“, bezeichnet Frauen gern mal als „Kackschlampen“, hängt am liebsten biertrinkend mit seinen Kumpels von der „Front Skin Neapel“ rum oder geht mit ihnen ins Stadion, um sich mal so richtig abzureagieren. Die meiste Zeit aber sitzt Petrellas namenloser Erzähler, der kein dumpfbackiger Proll, sondern ein intelligenter Bursche ist, in seiner Zimmer vor dem Computer, hackt sich hie und da ein, kommt über die Runden, indem er fremde Bankkonten zu seinen Gunsten belastet und treibt sich daneben gern als „Dux“ in Erotik-Chatrooms herum.
Beim Abräumen eines Bankkontos geht er der Polizei ins Netz. Die zwingt ihm ein Geschäft auf. Um ungeschoren davon zu kommen soll er auf einer Party der Schönen und Reichen den Computer des Hausherrn knacken und einige Dateien kopieren. Viel zu spät erkennt er, wie heiß das Material ist. Die korrupten Polizisten, mit denen er zu tun hat, sind durchaus bereit, dafür über Leichen zu gehen.
Angelo Petrella
Nicht schön, aber gut …
Erzählt ist das alles in einer direkten, groben Sprache, die keine Umwege nimmt, die geradeheraus eine kleine Welt umreißt, die vor allem aus Hass und schematisierten Freund/Feind-Bildern besteht. Der Erzähler hat verständlicherweise keinen Sinn für die Beschreibung von Figuren und Orten, weshalb beides allenfalls Fassade bleibt. Nur selten kommt so etwas wie Atmosphäre auf und wenn, dann ist sie ziemlich beklemmend.
Der 1978 in Neapel geborene Petrella gewährt in seinem gerade mal hundert Seiten starken Roman mit einer recht überschaubaren Krimihandlung einen fiktiven Blick in den Kopf eines jungen, italienischen Neo-Nazis, der desillusioniert am Rand einer kaputten Gesellschaft lebt, sich selbst und die Welt nur noch erträgt, indem er sie, auch sprachlich, gewaltsam passend macht und sei es nur für Augenblicke.
Das ist in dieser radikalen Erzählform immer wieder harter Stoff, dem Petrella ein wenig die Schärfe nimmt, indem er seiner Figur eine tragik-komische Note mit gibt. Denn der Erzähler überschätzt sich maßlos, ist zwar nicht auf den Kopf gefallen, hat aber keinen Blick für Zusammenhänge und ist längst nicht jener gewiefte Hacker, für den er sich gerne hält. Gleich mehrfach bekommt er deutlich seine Grenzen aufgezeigt. Diese Erfahrungen lassen nach und nach zwar sein Selbstbild sacht bröckeln, seinen von Hass und Engstirnigkeit geprägten Blick auf die Welt aber verändern sie nicht.
Frank Rumpel
Angelo Petrella: Nazi Paradise. (Nazi Paradise, 2007). Roman.
Deutsch von Bettina Müller Renzoni.
Berlin: Pulp Master 2009. 118 Seiten. 12,80 Euro.