Geschrieben am 19. April 2005 von für Bücher, Litmag

Atto Melani: Die Geheimnisse der Konklaven und…

Die Kunst der Intrige

Der Autor, ein Kastratensänger und Spion im Auftrag Ludwigs XIV. plaudert aus dem Nähkästchen eines mit allen Wassern gewaschenen Intriganten im Vatikan.

„Annuntio vobis gaudium magnum, habemus Papam“. Mit dieser Formel verkündigt der ranghöchste Kardinaldiakon vom Balkon der römischen Peterskirche, dass das Konklave beendet ist. „Ich verkünde mit großer Freude, dass wir einen Papst haben“. Damit sind eigentlich auch die vielen Zeitungsartikel, Medienberichte und auch Bücher, die in diesen Tagen im Umkreis des aktuellen vatikanischen Konklave erschienen sind, umgehend Makulatur. Es wird – wahrscheinlich – auf absehbare Zeit kein Papst-Megaspektakel mehr geben, wie es zum Ende des Pontifikats von Johannes Paul II. die alten Herren im Vatikan zusammen mit den großen Networks für eine globale Mediengemeinde zelebriert haben. Also könnte man auch den zeitlich mit dem römischen Konklave erschienenen schmalen Band von Abbè Atto Melani über die ‚Geheimnisse der Konklaven und die Laster der Kardinäle‘ umgehend zum Antiquar um die Ecke bringen?
Aber man sollte es sich überlegen, denn auch “Il Principe” (Der Fürst) von Macchiavelli ist ja auch nicht mit dem Ende der Borgias oder anderer Renaissance-Familien zu Altpapier geworden.

Wer wissen will, mit welchen Brutalitäten, Tricks und eiskalten Manövern man sich Macht in der Gesellschaft erobert und sie dann auch verteidigt, wird weiterhin nicht auf eine Macchiavelli-Lektüre verzichten können. Und wer wissen will, wie man klug, berechnend und scheinheilig in den Hinterzimmern der Macht intrigiert, sollte unbedingt den Leitfaden von Atto Melani lesen. Ende des 17. Jahrhunderts ging Melani ein und aus in den Prunksälen und Verließen des Vatikans. Und dabei studierte er ganz genau das Verhalten und die Gewohnheiten der Kardinäle und Prälaten, um das Gesehene dann an seinen Auftraggeber Ludwig XIV. in Versailles weiterzugeben. Mit einem gottgefälligen, frommen und selbstlosen Leben hatte das alles nichts, aber auch gar nichts zu tun, was Abbè Melani da im Umkreis der römischen Kurie erfuhr. Und ganz besonders während der Wahlen zum jeweils neuen Papst, den Konklaven, geht es in den Gängen, Hallen und heiligen Räumen des Vatikans zu wie in den dunkelsten Kaschemmen der römischen Vorstadt. „Beim Konklave gibt es niemanden, der nicht einen zukünftigen Papst im Sinn hätte, und nicht bereit wäre, den eigenen Ambitionen, Interessen und der Rache alles andere zu opfern.“

Schon eine zufällige Aneinanderreihung der Kapitelüberschriften dokumentiert die alles andere als heilig-unschuldige Wahl des Stellvertreter Christi auf Erden: „Der Trick für eine rasche Papstwahl” oder “Die wichtigste Waffe beim Konklave ist die Verleumdung des Gegners“ oder „Worte machen, statt sein Wort geben“. Schon in den einleitenden zwei Sätzen ist alles zusammengefasst, was Sinn und Zweck der sehr irdischen Macht des Vatikans ist: „Der Päpstliche Hof zu Rom verfügt über weitreichende Mittel und unendliche Ressourcen: der Vorwand der Religion sichert ihm eine enorme Macht über die schwachen, schlichten und frommen Geister.“

Abbè Melani schildert die Verhältnisse im Vatikan zu absolutistischen Zeiten. Aber handelt es sich hier nur und ausschließlich um ein historisches Dokument, das zudem nur für das Spektakel einer seltenen Konklave zutrifft? Die Grundlagen der bösen Intrige und des hinterhältigen Fallenstellens zu kennen, kann doch auch helfen, sich geschickt und erfolgreich in den Foyers und Hinterzimmern von ganz und gar unfrommer wirtschaftlicher und politischer Macht zu bewegen….

Carl Wilhelm Macke

Atto Melani: Die Geheimnisse der Konklaven und die Laster der Kardinäle. Aus dem Italienischen von Annette Kopetzki. 96 Seiten, 9,90 Euro, Klett-Verlag, Stuttgart, 2005

Atto Melani ( 1626 – 1714 ) in der Toskana geboren, war einer der erfolgreichsten Kastratensänger des 17. Jahrhunderts. Als Spion und Diplomat für den französischen Sonnenkönig Ludwig XIV. verfolgte er zahlreiche Konklaven.