Geschrieben am 17. September 2011 von für Bücher, Crimemag

Cay Rademacher: Der Trümmermörder

Nackte Leiche in kalter Zeit …

Ein historischer Lokal-Thriller, „Der Trümmermörder“ von Cay Rademacher, voll im Trend. Max Annas ist überhaupt nicht überzeugt.

Wenn eine nackte Leiche bei minus zwanzig Grad Außentemperatur gefunden wird, kann man sich recht sicher sein, dass es sich um einen Mord handelt. Der Hamburger Oberinspektor Frank Stave behandelt den Fall selbst im Januar 1947 mit Routine und norddeutscher Gelassenheit. Seine persönliche Stimmung schwankt dabei aber zwischen latenter Verzweiflung um den Sohn, der immer noch irgendwo im Osten ist, entweder in sowjetischer Gefangenschaft oder tot, und anhaltendem Hunger. Man lebt von trockenem Brot, ab und zu einer Kartoffel und Kaffeeersatz, der den einen Vorteil hat, dass er wenigstens den Leib wärmt. Wer eine Zigarette hat, kann sich glücklich schätzen. Aber der Weg zu einem Streichholz kann sehr lang sein.

Feine Kulisse …

Der Hamburger Eiswinter von 1946/47 ist eine feine Kulisse für einen Whodunit. Große Teile der Stadt liegen immer noch in Schutt und Asche, die Gesellschaft ist nach Jahren von Krieg und Mord verrottet und verroht. Die uniformierten Autoritäten sind schwach und werden selbst kontrolliert von britischen Truppen, die wiederum eine eigene Agenda haben, die selbst ein erfahrener Polizist wie Stave nicht immer versteht. Das Setting ist gut dargestellt. Wer als Polizist zu einem Tatort gelangen will, muss sich erst mal um einen Wagen kümmern, und wenn der Fall keine Priorität hat, mit der Bahn fahren oder zu Fuß gehen. Samstags lungert der Oberinspektor am Hauptbahnhof herum, um die Heimkehrenden nach seinem Sohn zu befragen. Jede Information ist willkommen, denn nicht zu wissen, schmerzt noch mehr als die Bestätigung des Todes, von dem man ohnehin ständig umgeben ist.

… steife Sprache

Cay Rademacher (Quelle: DuMont Verlag)

Bald gibt es eine weitere Leiche, und Stave beginnt langsam zu begreifen, dass hier niemand aus Habgier und ähnlich oberflächlichen Beweggründen tötet. Er verfolgt gründlich und verbissen seine Spuren, um spät, aber nicht zu spät, auf eine zunächst aberwitzig erscheinende Lösung des Falles zu stoßen, die nichts mit der Hansestadt und umso mehr mit dem gerade zu Ende gegangenen Krieg zu tun hat. Cay Rademacher ist GEO-Redakteur und weiß also einen Satz zu beginnen und zu Ende zu bringen. Das hilft beim Lesen … meistens. Seine Dialoge sind hier und da aber viel zu sehr an den Schullektionen orientiert, die wir alle in uns tragen, und nicht am Alltag, der Sprache mehr verändert, als es die Deutschlehrerin bereit ist zu akzeptieren. Deshalb kommt mancher gesprochene Absatz so steif daher wie eine ordentliche Nordseebrise. Die Idee, den Fall des historisch verbrieften Trümmermörders, der im Eiswinter ein paar nie identifizierte Personen aus dem Weg geräumt hat, umzudeuten und sie an die deutsche Geschichte anzubinden, ist grundsätzlich brillant. Aber die Aufklärung des Falles ist übers Knie gebrochen, zu hastig hingeschrieben, ganz so, als solle das Buch endlich fertig sein. Das will man beim Lesen natürlich ganz anders haben.

Max Annas

Cay Rademacher: Der Trümmermörder. Roman. Köln: DuMont Buchverlag 2011. 336 Seiten. 9,99 Euro. Verlagsinformationen zum Buch.

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