Laienspiel
Christian Böhm mimt den Kriminalschriftsteller, sein Ermittler den Kriminalisten und die Regionalformel garantiert schon mal gar nichts. Ernüchterndes von Jörg von Bilavsky.
Krimis aus Süddeutschland und Österreich haben schon seit geraumer Zeit Konjunktur. Man denke nur an die Bestseller des Allgäuer Autorenduos Klüpfel/Kobr oder an die „typisch“ austriakischen Texte von Haas, Wieniniger und Neuling Thomas Raab. Ihre Ermittler sind kauzig, schräg, immer eigen und eigensinnig. Das macht ihren Charme und ihren Erfolg bei den Lesern aus. Die Versuchung, im Windschatten dieser Erfolge eigene Erfolge zu feiern, indem man den Tatort nach Bayern oder in die Alpenrepublik verlegt und einen grantig-genialen Privatdetektiv erfindet, ist groß. Genauso groß ist aber die Wahrscheinlichkeit, mit diesem Ansatz unterzugehen, wenn es an dramaturgischer Originalität und sprachlichem Witz mangelt. Der diplomierte Journalist Christian Böhm ist auch im zweiten Anlauf mit diesem Experiment gescheitert. So uninspiriert wie der Titel seines zweiten Kriminalromans „Tod am Inn“ ist auch der Provinzdetektiv Johann Maria Watzmann.
Wer seinen Privatermittler nach dem zentralen Bergmassiv in den Berchtesgadener Alpen benennt, ihn ohne Geldsorgen auf seiner Dachterrasse bei edlem Rotwein in den Tag hineinleben lässt, möchte wohl auf Teufel komm raus originell sein. Wer ihn dann noch als Laienmimen in „Romeo und Julia“ auftreten lässt, damit er auch ja Zeuge eines Doppelmordes an den beiden Hauptdarstellern wird, wird es erst recht nicht. War es Mord aus Eifersucht mit anschließendem Selbstmord oder wollten sich zwei hoffnungsvolle Nachwuchskünstler den Weg frei machen für ihren eigenen großen Auftritt? Oder hatte vielleicht der einflussreiche und eitle Großkritiker Paul Stadlhuber ganz persönlich etwas gegen das Liebespaar auf der Bühne? Im bunten Reigen der Verdächtigen darf freilich auch ein türkischer Ehrenmörder nicht fehlen. Schließlich war die arme Julia, eine assimilierte Türkin namens Moni Ötztürk, deren kopftuchtragende Schwester ihren gewalttätigen Ehemann verlassen hat, der nun Rache an der „Ötztürk-Familiy“ schwor. Wie heißt es deswegen bei Böhm flugs: „Es konnte jeder gewesen oder auch niemand.“ Fragen über Fragen, die den armen Watzmann und sein Team aus Lokalfunkmoderatorin Kassandra und Polizeiobermeister Gabriel, aber nicht den Leser beschäftigen.
Angestrengte Witzigkeit
Selbst der geneigte Leser wird der zahllos ausgelegten Fährten und gängigen Motive ebenso schnell überdrüssig wie der angestrengten Witzigkeit des Autors und der juristischen Halbbildung seines Protagonisten. Nicht nur, dass er sich gelegentlich an dem grammatisch-kantigen Vergleichen eines Wolf Haas versucht („Schnecke vergleichsweise ein Porsche“) oder andere schwache ersinnt wie „Döner ohne Fleisch ist wie Schwimmen ohne Wasser: ziemlich trocken“, lässt den Leser kopfschüttelnd zurück. Auch seine kommentierten Wortspielereien – à la „schlug ich die Zeit mit der Wasserburger Zeitung tot, also mit der Lektüre, um etwaigen Missverständnissen sofort den Wind aus den Segeln zu nehmen“ – sind der Ironie und der Spannung Tod. Und von einem Privatschnüffler, dessen „großes Vorbild Josef Matula“ ist, darf man schließlich auch keinen hintersinnigen Humor erwarten. Freilich auch keine übermenschliche Intuition.
Aber genau die bricht sich kurz vor Schluss beim Watzmann Bahn. Aus heiterem Himmel kommt ihm beim Schachspiel der erlösende Gedanke. „Ich strengte meine grauen Zellen an. Und siehe da – einige Drinks später hatte ich nicht nur das Schach-Rätsel geknackt, sondern auch das große Geheimnis der … Morde.“ So einfach kann das Leben und Schaffen eines Privatdetektivs sein, der das Römische Recht im Originalton zitiert, sich als Cicerone durch Wasserburg („das bayerische Verona“) bewegt und in Klischeefallen wie „So schnell schießen die Preußen nicht“ tappt. Dass Watzmann den Täter nur über Umwege zur Strecke bringen kann und am Ende seine Rolle als Kriminalist zugunsten einer anderen Laienrolle wechselt, lässt hoffen. Entweder auf einer Wiedergeburt in literarisch neuem Gewand oder auf den endgültigen Abschied des „Provinzdetektivs von Gottes Gnaden“.
Jörg von Bilavsky
Christian Böhm: Tod am Inn. Ein neuer Fall für Watzmann. Roman. München: Piper Verlag 2009. 288 Seiten. 14,00 Euro.