Recht und Gerechtigkeit
In Christian von Ditfurths Krimi hagelt es Terror von allen Seiten. Und nicht nur Stachelmann bekommt ihn am eigenen Leib zu spüren. Auch Jörg von Bilavsky, der’s aber freudig wegsteckt
Christian von Ditfurth hat sich viel vorgenommen. Diesmal geht es seinem historischen Spürhund nicht nur um die Aufklärung und moralische Anklage von NS-Verbrechen. Nein, in seinem fünften Fall wühlt Stachelmann auch in den verstaubten Akten der DDR und überführt dabei die bundesdeutsche Justiz der 1950er-Jahre grober Fehlurteile. Keine Frage, dass auch diesmal die Vergangenheit nicht vergehen will und die Verbrechen von damals in der Gegenwart gesühnt werden. Doch wer hier mit allen Mitteln des Terrors blinde Selbstjustiz übt, verbirgt der Autor hinter einem dichten historischen Schleier.
Es mutet schon abenteuerlich und verwegen an, dass Ditfurth einen Anschlag auf den Bundesgerichtshof in Karlsruhe zum Aufhänger seines Romans macht. Natürlich, wie könnte es anders sein, richtet sich der Verdacht sofort auf islamistische Fundamentalisten. Dass diese locker gelegte Fährte in die Irre führt und vermutlich im Sande verläuft, wird allerdings schnell klar. Weniger klar ist dem Leser zunächst, wieso ein gescheiterter Universitätsdozent als privater Geschichtsermittler erst einmal die dunklen Machenschaften einer Lübecker Werkzeugmaschinenfabrik im Dritten Reich aufdecken muss, bevor er den dramaturgisch alles entscheidenden Auftrag erhält, eine verschollene Person ausfindig zu machen. So folgt man Stachelmann zwar interessiert und erstaunt, wie er Akte für Akte, Zeitzeuge für Zeitzeuge entdeckt, dass die bundesdeutsche Justiz damals verfolgte, aber nicht mehr aktive KPD-Mitglieder abstrafte. Und die DDR den ehemaligen Genossen aus dem Westen mit großem Misstrauen begegneten.
Dunkle Flecken, deutsch-deutsch
Aber erst nachdem er die im Auftrag einer bildhübschen Deutsch-Amerikanerin vermisste Person als Opfer der Justiz und eines tragischen Unfalls kenntlich gemacht hat, kommt die eigentliche Kriminalgeschichte in Gang. Denn anscheinend ist er nicht nur auf die Verbrechen der Vergangenheit gestoßen, sondern auch auf jene der Gegenwart. Allerdings ohne es zu wissen. Allein die Tatsache, dass man den Sohn seiner Freundin mit dem Tode bedroht, führt ihn auf die Spur eines Mörders, dessen zornige Motive vielleicht nicht Stachelmann, aber dem Leser recht bald einleuchten. Am Ende bleibt also nur abzuwarten, ob der rheumageplagte Akademiker den Faden der Historie in die Gegenwart weiterzuspinnen vermag, den Täter fasst und dabei mit heiler Haut davon kommt.
Der Historiker und homo politicus Ditfurth wollte vor allem ein vergessenes Kapitel deutsch-deutscher Geschichte aufschlagen, das in den vielen Beiträgen zum 60-jährigen Bestehen der Bundesrepublik ausgeblendet wird. Das ist ihm hervorragend gelungen, auch wenn seine historische Aufklärungsarbeit nicht wissenschaftlich, sondern vor allem moralisch und politisch motiviert ist. Die mittlerweile linksliberale Gesinnung des einstigen DKP-Mitglieds scheint in Stachelmann kritischen Statements zum Überwachungsstaat oder zur Aufarbeitung der NS-Verbrechen deutlich durch. Damit mag man d’accord gehen oder auch nicht, in jedem Fall stößt man in seinen Krimis immer wieder auf dunkle Flecken der deutschen Geschichte. Aber auch darauf, das Recht und Gerechtigkeit nur selten deckungsgleich sind.
Jörg von Bilavsky
Christian von Ditfurth. Labyrinth des Zorns. Köln: Kiepenheuer & Witsch 2009. 400 Seiten. 8,95 Euro.