Geschrieben am 5. Dezember 2017 von für Bücher, Litmag

Dalí: Die Weine von Gala & Diners mit Gala

va-dali_vins_de_gala-image_01_04682Wie Gott in Frankreich: Speis & Trank mit Dalí & Gala

Nicht mehr Wein trinken, sondern Geheimnisse kosten, das solle man nach diesem Buch. Dieses Ziel setzten sich die Autoren von „Dalí. Die Weine von Gala“, 1978 bei Draeger in Paris in Mini-Auflage veröffentlicht und nun endlich vierzig Jahre später im Verlag Benedikt Taschen breiter zugänglich gemacht. Ein Weinbuch, wie es noch keines gab – und wohl auch nie wieder geben wird. Mit Salvador Domenech Philippe Hyacinthe Dalí, Marqués de Púbol, als Mundschenk und mit Jelena Dmitrijewna Djakonowa, eher bekannt als Gala Éluard, als seine Muse, gekellnert von den beiden Weinkennern Max Gérard und Louis Orizet. Gegliedert in „Die zehn Weine des Göttlichen“ und „Die zehn Weine Galas“.

va-dali_diners_de_gala-cover_04639Dalis bekannter Satz – „Der einzige Unterschied zwischen mir und einem Verrückten ist der, dass ich nicht verrückt bin!“ – findet auch in diesem Buch Anschauung genug. Es gehört eigentlich stringent mit seinem Zwillingsbruder zusammen, nämlich mit den „Diners mit Gala“, ebenfalls eine bibliophile Köstlichkeit, die seit Ende 2016 via Taschen der Allgemeinheit wieder zugänglich ist.

Das verrückteste Kochbuch aller Zeiten

Zunächst also zur Speisekarte: „Mit sechs wollte ich Köchin werden, mit sieben Napoleon“, schrieb Salvador Dalí (1904–1989) in seiner Autobiografie. Die opulenten Dinnerpartys, die er und seine zehn Jahre ältere Gattin und Muse Gala (1894–1982) gaben, waren legendär. Das ursprünglich 1973 in einer Auflage von nur 400 Exemplaren veröffentlichte „Les Diners de Gala“ ist wohl das verrückteste Kochbuch aller Zeiten, surrealistischer Witz paart sich mit Gaumenfreuden. Zum Auftakt gibt es das Menü zur Krönungsfeier des Schahs von Persien. Es folgen 136 Rezepte in zwölf von Dalí eigens bebilderten Kapiteln mit Titeln wie „Herbstliche Kannibalismen“ (Eier und Meeresfrüchte), „Sodomisierte Zwischengerichte“ (Fleisch), „Weiche Uhren im Halbschlaf“ (Schweinefleisch) oder „Ich esse Gala“ (Aphrodisiaka).  Es gibt klassische Rezepte wie die überbackenen Austern à la Borlotti aus dem Pariser Spitzenrestaurant „La Tour d’Argent“, aber auch surreale Phantasiespeisen zu Hauf. Kulinarische Anarchie. Garantiert ohne Diät-Tabellen oder Kalorienangaben, mit Stand 1973 und teils aus den Rezeptbüchern von Pariser Edelrestaurants wie Lasserre, La Tour d’Argent, Maxim’s und Le Train Bleu. Eine Küche aus der mittleren Jungsteinzeit, noch vor der Nouvelle Cuisine , aber eben deshalb so schön gaga. „Les dîners de Gala ist einzig den Freuden des Gaumens gewidmet. … Sollten Sie ein Jünger jener Kalorienwieger und –wäger sein, die die Freuden des Mahles in Strafen verwandeln, so schließen Sie dieses Buch sofort: Es ist viel zu lebendig, viel zu aggressiv und viel zu herausfordernd für Sie“, warnt Dalí, dem es besonders der Hummer angetan hat.

Monarchenfleisch und andere Surrealitäten

„Die Kiefer sind unsere besten Erkenntniswerkzeuge“, findet er. Und serviert Lammschulter „nach Art eines Paschas“, einen Meeraal „Aufgehende Sonne“ oder Tausendjahreier (in Wirklichkeit drei Wochen), Eier am Spieß, Blutwurstsoufflé mit Maronen, Rinderhirn in Speck, Kutteln „anno dazumal“, süß-sauren Rinderbraten, Lammkeule in Madeira, viel Krebs und Fisch und „Monarchenfleisch“: Fasan, Rebhuhn, gefüllte Schwalben. Dazu fürstliche Torheiten, große Köstlichkeiten aus Winzigem, schillernde Sputniks, panaschiertes Panaschee, nächtliche Gelüste, zwölf kleine Martyrien, einen Cocktail Casanova oder ein Aphroditen-Püree. Essen und Surrealismus gehen bestens zusammen. Viele der Rezepte lassen sich zu Hause nachkochen, einige Zutaten sind sehr speziell. „Den Elan meiner Eingeweide halte ich für den höchsten Wegweiser“, meinte Dalí.

Auch der FAZ-Kochkritiker Jürgen Dollhase besah sich das jetzt wiederaufgelegte Werk näher. Sein Urteil: „Weil die Diskrepanz zu heute so groß ist, stellt man sich sehr schnell die Frage, ob eine solche Wiederveröffentlichung heute Sinn macht. Um es vorwegzunehmen: ja, sie macht Sinn.“

va-dali_vins_de_gala-cover_04682Und dazu nun die Weinkarte

Der japanische Kaiser Mutsu-Hito, der erste aus der Meiji-Dynastie, der Japan für den Westen öffnete, ließ sich gerne mit einem Château d’Yquem bewirten, diesen Geschmack teilte er mit dem russischen Hof. „La Salade Japonaise“ nannte Alexandre Dumas sein Rezept, Muscheln und Kartoffeln mit einer Soße zu übergießen, deren Basis ein Yquem war. Bismarck dagegen soll gesagt haben: „Monsieur, beim Champagner hört der Patriotismus auf.“ Im Dalí-Buch fungiert er als „Der Wein von Ay“, alle „Menschen erkennen im ersten Augen-Blick jene berühmte Flasche, die die Etappen ihres Lebens begleitet, ihre Errungenschaften tauft, ihre Abmachungen bekräftigt, ihre Verträge besiegelt und ihre Herzen in Nachsicht zerspringen lässt“, notiert Dalí.

Kulturgeschichtlichen Informationen und dazu gastronomische Notizen finden sich überreich in „Die Weine von Gala“, das die Wonnen der Rebe aus Sicht von Dalí lobt und preist, überstützt von Aphorismen und Bonmots großer Geister. Victor Hugo etwa: „Gott hat nur das Wasser erschaffen, der Mensch aber den Wein.“ Oder Guy de Maupassant: „Nur Dummköpfe sind keine Gourmands. Man ist Gourmand, wie man Künstler ist oder Poet.“

Rebenhandwerker nennt er die Winzer

Ein gewisses Pathos ist da unvermeidlich und nicht nur dem Sprachduktus der 1970er geschuldet. Mehr als 140 Illustrationen Dalís finden sich in dem Band, darunter zahlreiche Adaptionen klassischer Kunstwerke. Max Gérard schreibt in zehn Kapiteln über „Die zehn Weine des Göttlichen“ (der Shiraz ist hier dabei, der Châteauneuf-du-Pape im südlichen Rhonetal im Département Vaucluse, die großen roten Bordeaux-Weine, der Romanée-Conti, der Château d’Yquem, der Jerez und die Weine Kaliforniens), der Weinkenner Louis Orizet über die „Weine der Freude“, des Ästheten, der Wollust, des Lichts, über frivole Weine und die des Unmöglichen, über die Weingärten der Welt und besonders die Frankreichs, und er gibt auch Ratschläge an den Weinliebhaber, die er wie folgt einleitet: „Es ist unmöglich, auf wenigen Seiten alle Probleme zu behandeln, die einen Weinliebhaber interessieren. Aber ein solches Werk wie dieses wäre unvollständig, würde es nicht am Ende das Wesentliche dessen zusammen fassen, was ein achtbarer Mann auf diesem Gebiet wissen sollte …“

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Große Liebe, macht er klar, ist es, was Wein braucht. Rebenhandwerker nennt er die Winzer. Um einen großen Wein zu schaffen, brauche es:
einen Irren, der den Rebstock pflegt;
einen Weisen, der ihn zähmt,
einen klarsichtigen Poeten, der ihn erschafft,
einen Verliebten, der ihn trinkt.

Sich an edlem Bordeaux, an feinem Burgunder zu laben, lernen wir dann, das ist, als schlucke man Genie, als trinke man Sterne.

Alf Mayer

Dalí: Die Weine von Gala (Les Vins du Gala, Paris 1978 ). Verlag Benedikt Taschen, Köln 2017. Hardcover, Format 21,2 x 30,2 cm. 296 Seiten, 49,99 Euro. Verlagsinformationen.

Dalí: Die Diners mit Gala (Les Diners de Gala, Paris 1973). Verlag Benedikt Taschen, Köln 2016. Hardcover, 21,2 x 30,2 cm, 320 Seiten, 49,99 Euro. Verlagsinformationen.

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