Geschrieben am 1. Januar 2005 von für Bücher, Litmag

Dan Rhodes: Lady Di oder Das kleine weiße Auto

„Scheiße, ich habe die Prinzessin umgebracht!“

Der britische Autor Dan Rhodes spinnt eine tragikomische Geschichte um den Tod von Lady Di. Von Markus Kuhn

Die Überwachungskamera eines Nobelhotels war es, die die letzten Bilder der geschiedenen Prinzessin von Wales mit ihrem Liebhaber festhielt – bevor das Paar die schwarze Luxuslimousine bestieg, der hochgradig betrunkene Chauffeur Gas gab und gen Tunnelunterführung davonraste, die Paparazzi hinterher … Die Geschichte ist bekannt. Niemand konnte sich der weltumgreifenden Berichterstattung entziehen, jeder hat Erinnerungen an den Tod von Lady Di. Ein Weltereignis, das sich ins kollektive Bewusstsein gebrannt hat.

Der junge britische Autor Dan Rhodes verbindet dieses Massenmedienschicksal in seinem tragikomischen Roman „Lady Di oder Das kleine weiße Auto“ nun mit dem Schicksal einer (fast) normalen Frau: Die junge Véronique trennt sich von ihrem Freund, steigt in einen weißen Fiat Uno und fährt vorsichtig nach Hause, weil sie zu viel gekifft und getrunken hat. Prompt passiert ein Unfall, den sie nur im Rückspiegel mitbekommt: eine schnelle Limousine berührt ihren Wagen, kommt aus der Spur und schlägt gegen die Tunnelwand. Wahrscheinlich, weil sie zu langsam gefahren ist.
Doch Véronique ist zu betrunken, um darüber nachzudenken, fährt nach Hause und fällt ins Bett. Als sie am nächsten Nachmittag verkatert erwacht, hat sie alles vergessen. Bis sie den Fernseher anstellt, die Bilder sieht, die wir alle gesehen haben, und entgeistert feststellen muss: „O Scheiße. Ich habe die Prinzessin umgebracht.“

Gemeinsam mit ihrer Freundin Estelle sucht sie nach einer Chance, ihre Beteiligung am Unfall zu vertuschen. Ihre Eltern, die Polizei, die Medienöffentlichkeit, sie alle sollen nichts erfahren – ein schier aussichtsloses Unterfangen. In skurrilen Szenen kümmern sich die beiden Frauen um den weißen Fiat Uno, der auseinandergenommen und beiseite geschafft werden muss, weil die Polizei bereits danach sucht. Während sie sich den Kopf darüber zerbrechen, wie man einen Motor zerlegt, skandiert Elton John „Goodbye England’s Rose“ auf der Liveübertragung von Lady Dis Beerdigung.

Letztendlich: Kurzweiliger Vorabendkrimi

Eine absurde Idee, konsequent weiterentwickelt, kurzweilig zu lesen, doch Rhodes verschenkt viel vom Potential seiner extravaganten Anekdote durch seinen fahrigen Stil, lieblose Dialoge und eine viel zu flache Figurengestaltung. Mitunter wirkt der Text so, als habe der Autor ihn mit Schuldnern im Nacken so schnell wie möglich runtertippen müssen.

In England veröffentlicht die Literaturzeitschrift Granta alle zehn Jahre eine renommierte Liste, für die eine anerkannte Kritiker-Jury die 20 talentiertesten britischen Jungschriftsteller auswählt. Mit seinem ersten Roman „Timoleon kehrt zurück“ hat es Rhodes auf die Granta-Liste 2003 geschafft und hohe Erwartungen geweckt. Mit „Lady Di oder Das kleine weiße Auto“ löst er diese erst einmal nicht ein: eine unterhaltsame Geschichte, die man aber eher mit einem Vorabendkrimi vergleichen kann als mit anderen vielversprechenden Schriftstellern der Liste wie Adam Thirlwell („Strategie“) oder Monica Ali („Brick Lane“). Vielleicht hat Rhodes seine Lady-Di-Story in England deshalb unter einem Pseudonym veröffentlicht.

Markus Kuhn

Dan Rhodes: „Lady Di oder Das kleine weiße Auto“.
Aus dem Englischen von Axel Henrici,
KiWi Köln 2004
TB, 201 Seiten, 8,90 Euro.

25.10.2004