Guck mal, Mama, freihändig.
Ich habe wirklich versucht etwas Witziges zu schreiben.
„Alles ist grün“ ist die Resteverwertung des Kurzgeschichtenbandes „Girl with Curios Hair“ von 1989. Die Hälfte der Kurzgeschichten wurde bereits 2001 als „Kleines Mädchen mit komischen Haaren“ veröffentlicht. Der Rest erscheint nun also 2011 bei Kiepenheuer und Witsch.
Das Buch soll also die deutsche Ankunft von „The Pale King“, D.F.W.s unfinished novel, einläuten, die sicherlich Haus hohe Wellen der Begeisterung und tiefe intellektuelle Zuneigung für diese unvorstellbar tragische Figur des D.F.W. von sich treten wird, dabei ist es ein, neben anderen Arbeiten, relativ blass aussehendes Etwas.
Wie dem auch sei.
Die fünf Kurzgeschichten sind meistens großartig, gelegentlich belanglos oder von diesem „Guck mal, Mama, freihändig“-Gestus, den D.F.W. selbst in einer der Kurzgeschichte beklagt, zersetzt. Es ist nicht leicht sich diesem Werk zu nähern, dass meine ich keines falls semantisch oder irgendwas, sondern weil er tot ist und „Infinite Jest“ hinterlassen hat. Das Arschloch.
Ich schau mir also Kritiken anderer an. Die Deutschen fangen erst mal an von „Infinte Jest“ zu erzählen („opus magnus“/„seit seinem Tod“/&c.) und es scheint so, als könnte der Kurzgeschichtenband und alles, was jetzt neuübersetzt wird oder posthum veröffentlicht, nicht ohne diesen Bezug existieren; was mir das Herz bricht.
Wesentlich unbefangener sind die wenigen alten englischsprachigen Kritiken zu „Girl with Curios Hair“. Sie drehen sich meist um das Nachhallen der Postmoderne und D.F.W.s Umgang mit ihr, schätzen oder kritisieren seinen fluktuativen Stil. Alles sehr angenehm zu lesen.
Hier ist was ich denke: Ich hab das Buch gelesen und beim Lesen Verweise oder Bemerkungen mit einem Kugelschreiber zum Text geschrieben. Nach dem Lesen, bevor ich mich an den Artikel setze gehe ich diese Kommentare noch mal durch (von denen die meisten Klugscheißerei sind, die mich nicht abzutippen getraue). Etwa ab Seite 37 wir sind mitten in der zweiten Kurzgeschichte, nehmen meine Bemerkungen drastisch ab. Die letzte Kurzgeschichte, die etwa 200 Seiten hat, hat nur einen Kommentar: „HAHA“, auf Seite 78. Ich war also – glaube ich – bestens unterhalten, was bekanntermaßen D.F.W. erster Anspruch war.
In den wenigen Interviews, die im Internet kursieren, betont er, das Vergnügen, das von schwerzugänglicher Literatur ausgeht, dieses „Good Lord, I am really streching myself, I am really having to think and process and feel the ways I normally don’t feel.“ entsteht auch in „Alles ist grün“, allerdings nur, wenn D.F.W. sich dafür den nötigen Platz einräumt, wie in der 200 Seiten langen Kurzgeschichte „Westwärts geht der Lauf des Weltreichs“.
Es wäre bedeutungslos leicht ein gutes Wort für D.F.W.s Œuvre einzulegen. Ich habe all diese Bücher von dem Mann, um den sich jetzt schon ein Mythos, wie um Joyce legen will, auf den ich keine Lust habe.
(„Alter, wusstest du, dass er das ganze Oxford Dictionary auswendig konnte?“
„Halt dein Maul und red‘ über das verfickte Buch, du unbedarfer Zombie“.
Sowas passiert. D.F.W. war sich überdurchschnittlich bewusst, wie er auftritt und was er hinterlässt, was er verbrennt und was er aus dem Grab als Fragment noch mit herausgibt.)
Wenn es eine Nachfrage nach seiner Biographie gibt, meine Nummer ist 0174 3191579.
Am Ende steht bei mir:
1: naja.
2: fantastisch.
3: streckenweise fantastisch, aber sehr runtergeboilt.
4: belanglos.
5: fantastisch.
Vollkommen egal, kauft das Original für 10,60 Euro.
J.S. Gosze
David Foster Wallace: Alles ist grün. Stories. (Girl with Curious Hair, 1989). Aus dem Amerikanischen von Ulrich Blumenbach. Kiepenheuer & Witsch 2011. 19,99 Euro.