Geschrieben am 19. November 2014 von für Bücher, Litmag

Debütantinnen (Teil 2): Lappert, Trompeter, Pfeifer

Frank Göhre wirft einen Blick auf aktuelle Debütromane. Diesmal betrachtet er die deutschen Autorinnen Simone Lappert, Julia Trompeter und Judith Nika Pfeifer.

lappert_wurfschattenGenauer Blick

Ihr Vorname beginnt und endet mit einem „a“. Es ist ein kurzer Name: Ada. Und ebenso kurz ist ihre Geschichte. Sie endet, wie sie begann. Anfangs nämlich steht Ada im Pyjama am Fenster und kaut auf dem Ende ihres Haarzopfs herum. Und das tut sie auch im Schlusskapitel des Debütromans der Schweizerin Simone Lappert. Nur den Pyjama trägt sie da nicht mehr. Den legt sie in einen Umzugskarton.

„Wurfschatten“ ist der Titel dieses Romans, in dem wenig passiert, auf jeder Seite aber bedrohliches zu lesen ist. Erzählt wird von der alltäglich Angst der jungen Protagonistin Ada, die als Schauspielerin noch kein festes Engagement an einer der größeren Bühnen hat und sich als Darstellerin einer Leiche (!) in einem Kleintheater durchschlagen muss. Ada hat Panikattacken, und wir lesen, wie sie einsetzen und sich auswirken. Die junge Frau ist dann unfähig zu handeln, kann sich mitunter kaum noch bewegen:

„Ihr Herz schlug hart und unregelmäßig in ihrem Hals, gleich würde es sich zusammenkrampfen und ganz stehenbleiben, daran nämlich würde es kaputtgehen, an dieser unnötigen, panischen Abnutzung.“

Das ist und bleibt beklemmend, zumal diese (Todes-)Angst nicht erklärt wird. Nichts verweist auf eine entsprechend furchtbare Familiengeschichte, die ja gemeinhin bei vielen AutorInnen als Ursprung allen Übels gilt (siehe CM, Debütantinnen Teil 1) Simone Lappert, Jahrgang 1985, schreibt über das, was ist. Ihre Sprache ist klar und genau, und in der Genauigkeit des Blicks auf das, was mit Ada geschieht, liegt die große Stärke dieses Debüts.

Simone Lappert: Wurfschatten. Roman. Metrolit Verlag (Walde + Graf bei Metrolit), Berlin 2014. 207 Seiten. 20,00 Euro.

Trompeter-Julia-Die-MittlerinKein gescheiter Grund

Keinen sonderlich starken, aber doch unterhaltsamen Einstieg hat der Roman „Die Mittlerin“ von Julia Trompeter. Eine Verlagsfrau erklärt einer jungen Autorin: „Sie brauchen einen Plot. Sonst wird das, was Sie vorhaben, keiner lesen und drucken sowieso nicht. Denken Sie sich eben etwas aus. Eine Vorgeschichte, die die Motivation der Hauptperson klarer werden lässt! Warum sollte eine junge Frau ein Buch schreiben sollen, warum sollte man sich heute, da die Stapel in den Verlagshäusern die Dimension von mehrstöckigen Altbauten annehmen, noch darum bemühen, jemanden zum Debüt zu überreden? Dann müssen Sie halt einen gescheiten Grund erfinden.“

Gut gesagt, aber Julia Trompeter, Jahrgang 1980, eine promovierte Literaturwissenschaftlerin, beherzigt ihren eigenen Ratschlag leider nicht. Sie schreibt über eine junge Autorin, die ihren ersten Roman schreiben soll/will/möchte und dummerweise keinen „gescheiten Grund“ hat, sondern lediglich ein großes Vorbild, und das ist Thomas Bernhard. So schreibt sie dann auch in langen und verschachtelten Sätzen über sich und ihre Agentin (= „Die Mittlerin“) wie der Österreicher schrieb, bzw. sie versucht, sich dessen Stil zu eigen zu machen. Das aber hat zum einen nichts Originäres und kann zudem auch nicht gelingen.

Und so lässt sich dieses Debüt getrost beiseitelegen und – wer möchte – kann stattdessen zum Original greifen, zum Beispiel „Die Ursache“, „Der Keller“, „Der Atem“, „Die Kälte“ und „Das Kind“ lesen – die fünfbändige Geschichte der Kindheit und Jugend des Thomas Bernhard, einer der Meilensteine deutschsprachiger Literatur.

Julia Trompeter: Die Mittlerin. Roman. Schöffling & Co, Frankfurt am Main 2014. 216 Seiten. 19,95 Euro.

pfeifer_zwischenDie Welt von hier und heute

Angenehm leicht und spielerisch debütiert die 1975 geborene Wienerin Judith Nika Pfeifer unter dem Titel „zwischen“ mit 12 Prosatexten über überraschende und absurde Ereignisse. Sie hat sich dabei von Zeitungsmeldungen, Lexikoneinträgen und auch einer Mikado Spielanleitung inspirieren lassen, fügt literarische und philosophische Zitate von Ilse Aichinger, Gottfried Benn, Jean Genet, Ludwig Wittgenstein u.a. ein und erzählt von Beischlaf und Wildwechsel und Jagd, von Fussball und einer Reise nach Edinburgh: „Edinborro, sagt dein Freund leise. – Es heißt Edinbra, sagst du. –Edinbaro, sagt dein Freund. – Edin b r a. Bra wie Wonderbra. – Edinborra, sagt dein Freund, Ken sagt Embro, nicht bra.“

Das sind Erkundungen des Alltags einer Generation, die neugierig und offen für sämtliche Facetten des Lebens ist. Gelegentlich fühlt man sich dabei an die frühen Texte von Wolf Wondratschek erinnert, doch Judith Nika Pfeiffer hat dennoch ihren eigenen Stil, entwirft ein erhellendes und mitunter skurriles Szenario der Welt von hier und heute.

Judith Nika Pfeifer: zwischen. Prosa. Czernin Verlag, Wien 2014. 110 Seiten. 17,90 Euro.

Frank Göhre

Tags : , , ,