Manchmal muss man Geduld haben …
Der Tipp des Krimibuchhändlers unseres Vertrauens, Christian Koch vom HAMMETT.
11 Jahre hat Dennis Lehane verstreichen lassen, bevor er mit „Moonlight Mile“ endlich den sechsten Roman der Serie um Angela Gennaro und Patrick Kenzie vorgelegt hat. Meisterwerke wie „Mystic River“ und „Shutter Island“, aber auch das sehr gute „Coronado“ halfen schon ganz gut über das lange Warten hinweg, aber …
Nicht nur die beiden Ermittler und Bubba sind wieder dabei, auch Amanda McCready ist in der Personalliste, das Entführungsopfer aus „Gone Baby Gone – Kein Kinderspiel“. Wieder spielt der Roman auf der Straße, im realen Leben, doch eben dieses ist in den vergangenen Jahren deutlich rauer geworden.
Amerika ist schon längst in der Wirtschaftskrise angekommen, und die hat auch vor Patrick Kenzie nicht gestoppt. Er muss für Leute arbeiten, die er früher noch nicht mal in sein Büro gelassen hätte, seine Gedanken kreisen nicht nur um den jeweiligen Fall, sondern auch um das Geld für die Krankenversicherung und anderen Notwendigkeiten. Und dann ist da noch Gabby: die vierjährige Tochter von Angela und ihm. Es ist also einiges passiert in den letzten Jahren …
Klassisch?
Gewohnt schnell der Einstieg in „Moonlight Mile“. Patrick Kenzie soll Amanda McCready wiederfinden. Aber auch die Russenmafia und ein Drogendealer sind hinter ihr her. Ein klassischer Gennaro/Kenzie also?
Ja und Nein. „Ja“, weil: gewohnter schneller Plot, actionhaltig, lässige Dialoge, witzige und coole Figuren. „Nein“, weil: Die beiden sind nicht nur einfach älter geworden, ihre ganz normale Umwelt ist anders, ist feindlicher und kälter geworden. Waren die Suburbs in den älteren Romanen eher Wohngebiet, so hausen dort nun Drogen, Gewalt und Armut als Mitmieter. Das ganze Milieu ist eine bittere Demaskierung und Bilanzierung der amerikanischen Probleme der letzten Dekaden.
Finis?
Vermutlich ist „Moonlight Mile“ der finale Band der Serie, das Ende des Romans weist darauf hin. Sei es drum, Dennis Lehane ist handwerklich viel zu gut, um im „Seriensumpf“ unterzugehen, das haben die eigenständigen Werke eindrucksvoll bewiesen.
Großen kommerziellen Erfolg hat der Autor in Deutschland bis heute nicht gehabt, aber da reiht er sich ja in eine Riege bester Namen ein. Selbst die Verfilmungen von „Mystic River“ und „Shutter Island“ haben trotz Erfolge in den Kinos wenig auf dem Buchmarkt bewirkt. Vielleicht sind seine Romane für den deutschen Markt einen Tick zu gut. Statt Maden, Psychopathen und Serienkillern verwendet Dennis Lehane lieber Menschen, die zudem noch ziemlich kluge und warmherzige Sachen sagen.
Ein dickes Lob auch für die grandiose Übersetzung von Andrea Fischer. Sie trifft immer und exakt den richtigen Tonfall, eine einzige Freude …

Polly (Abbildung: © Hammett Krimibuchhandlung)
Seit zwölf Jahren versuche ich Dennis Lehane für eine Lesung nach Berlin zu holen. Irgendwann wird es mir gelingen. Danach werde ich mit ihm Essen gehen, so wie sich das gehört. Die Anzugmenschen seines Verlages werden wir relativ schnell abhängen. Bald darauf werden dann Angela und Patrick um die Ecke biegen, während Gabby und Bubba mit Ladenhündin Polly spielen. Und dann wird alles gut …
Christian Koch
Dennis Lehane: Moonlight Mile (Moonlight Mile, 2010) Roman. Deutsch von Andrea Fischer. Berlin: Ullstein 2011. 381 Seiten. 9,99 Euro. Verlagsinformationen zum Buch. Zur Homepage von Dennis Lehane. Zur HAMMETT-Krimibuchhandlung.