Noch ’n Killer …
Ach, was wäre die Krimi-Produktion ohne unser aller Serialkiller. Bei der Lektüre von Edith Kneifls „Blutiger Sand“ fragt sich Anne Kuhlmeyer, ob das wirklich sein muss …
Die Kette der Serienmorde durch schlimme Monsterbestienpsychopathenkiller reißt nicht ab. In diesem Roman ereignet sich eine Serie, für die sich gleich zwei Empathiefreie zusammen tun, zwischen 1992 und 2012. Obwohl sich 2012 herumgesprochen haben sollte, dass diese Sorte Menschen wirklich selten vorkommt, treiben die strukturell gestörten, sozial verwahrlosten und günstigstenfalls kriegstraumatisierten Bösewichter unverdrossen ihr Unwesen in der Kriminalliteratur. Wie häufig Psychopathen wirklich sind, weiß man nicht, nur, dass sie normalerweise ganz ordentlich sozial angepasst anständige Berufe wie Konzernchef, Börsenmakler oder Söldner ergreifen.
Aber gut, in dem Falle hat das nicht geklappt und wird schlüssig begründet.
Einer von den beiden wird 20 Jahre nach einem Doppelmord festgenommen. Katharina Kafkas Eltern fanden den Tod auf der legendären Route 66. Die Historikerin, die sich als Barkeeperin und Detektivin in Wien durchschlägt, kreuzt mit ihrem besten Freund (oder ihrer Freundin?) Orlando bei dem FBI-Mann Simon in Las Vegas auf, nachdem er ihr die Festnahme mitteilte. Was sie sich davon verspricht? Das weiß sie selbst nicht genau. Begeistert stürzt sich Orlando im Romy-Schneider-Look in die Glitzerwelt, während Simon die Hinterbliebene großzügig mit Informationen füttert, bis sie beschließt, neben den Sehenswürdigkeiten auch gleich noch die Tatorte anderer Verbrechen der Killer zu besichtigen.
… on Route 66
Das ist sehr lustig, denn die Kafka und Orlando erleben diverse Abenteuer, erfreuen sich an der überwältigenden Landschaft, in der dauernd die Sonne untergeht, essen viel, trinken genauso viel, besuchen Museen und Galerien, gruseln sich hier und da an historischen Tatorten und suchen nebenher den zweiten Täter, der noch auf freiem Fuß ist. Entlang der Route 66. Einen Mann, von dem sie nur wissen, dass er „The Snake“ genannt wird und ein bisschen Indianer ist. Klar.
Außerdem erfahren wir ungemein Bildendes über die Ureinwohner, über ihr Leben früher und jetzt, das durchaus vergleichbar sei mit dem von Kafkas Verwandten, die als Roma ebenso wenig willkommen sind in ihren Gesellschaften.
Zwischen Burgern, Tortilla, kalifornischem Wein und indianischer Folklore werden zwei nette europäische Damen ermordet, was aus Tätersicht erzählt wird wie frühere Verbrechen auch.
Kafka und Orlando geraten immer wieder in missliche Umstände und müssen von Simon gerettet werde. Seltsamerweise verbringt er sogar seinen Urlaub mit den beiden und begleitet sie über die Highways zu Hochplateaus und indianischen Siedlungen.
Böse!
Neben der sich entwickelnden Liebesgeschichte zwischen dem FBI-Mann mit indianischen Wurzeln und der Ich-Erzählerin Kafka, der Beschreibung der Reise und der von amerikanischen Lebensverhältnissen verliert sich die Suche nach dem Täter im Wüstensand. Was vielleicht ganz gut so ist, denn wir haben es hier mit einem hässlichen, ungepflegten Mann zu tun, dem man sein Bösesein eigentlich von Weitem ansehen müsste. Demgegenüber sind die Guten deutlich ansehnlicher, vielleicht skurril wie Orlando, oder vernarbt wie Simon, aber doch reizvoll. Erwartungsgemäß endet der Roman dann auch.
Abgesehen von einzelnen ironischen Einsprengseln scheint der Roman der Gebrauchsanweisung für Serienkilleromane zu folgen. Bedauerlich didaktisch, redundant und vorhersehbar lässt er sich schmerzfrei lesen. Ohne die Bewunderung von Natur und Kulturellem, ohne Casinoflair und Shoppingausflüge wäre er allerdings um die Hälfte kürzer. Und das würde sowohl thematisch als auch vom ästhetischen Vergnügen her völlig genügen.
Anne Kuhlmeyer
Edith Kneifl: Blutiger Sand. Roman. Innsbruck-Wien: Haymon 2012. 264 Seiten. 19,90 Euro. Verlagsinformationen zum Buch. Zur Webseite von Anne Kuhlmeyer.