Geschrieben am 8. Januar 2011 von für Bücher, Crimemag

Elmore Leonard: Road Dogs

Clash of Characters

– Kumpels im Knast müssen in der Freiheit keine bleiben. Elmore Leonard macht aus unzertrennlichen „Road Dogs“ coole Kontrahenten. Von Jörg von Bilavsky

Leonards neuestes Kabinettstück hat gute Chancen auf den coolsten Krimi des neuen Jahres. Mit „Get Shorty“ oder „Out of Sight“ hat er mehrfach gezeigt, dass Schwerverbrecher und Schwerverbrechen nicht nur brutale, sondern auch höchst unterhaltsame Seiten besitzen. Und unterhaltsam heißt bei Leonard Spannung und Schmunzeln im Blick zu behalten. Vor allem aber Sympathien zu wecken für kriminelle Charaktere mit unkonventionellen Einstellungen und Verhaltensweisen. Jack Foley, „Bankräuber aus Überzeugung“ und ebenso charmant wie ausgekocht, rangiert in dieser Galerie ganz oben. Ein Schlitzohr mit Schlag bei fast allen Frauen und fast allen Gangstern. Zumindest beim kleinen „schmierigen Kubaner“ Cundo Rey, mit dem er zusammen im Knast sitzt, hat er ein Stein im Brett. Aus Dank dafür, dass ihn Foley vor den wirklich schweren und zudringlichen Jungs beschützt, spendiert Rey ihm eine ebenso attraktive wie ausgebuffte Anwältin. Sie senkt sein Strafmaß von 30 Jahren auf 30 Monate.

Die neugewonnene Freiheit hat freilich ihren Preis. Und Foley zahlt ihn Rey mit ungewöhnlicher Münze zurück. Damit beauftragt, bei Reys Flamme Dawn im sonnigen Venice nach dem Rechten zu sehen, liegen beide schon nach kurzer Zeit zusammen im Bett und schmieden Pläne, wie sie ihren noch inhaftierten „Wohltäter“ am besten ausnehmen können. Denn der ist nicht nur klein und schmierig, sondern auch reich, gerissen und skrupellos. Besonders mit letzterem haben beide nach seiner Entlassung aufs Äußerste zu kämpfen. Dawn mit den Waffen einer Frau, die scheinbar hellseherische Gaben und Sexappeal besitzt. Foley mit den Waffen eines Mannes, der alle Tricks und Kniffe kennt und selbst in ausweglosen Situationen spontan richtig handelt. Ohne körperliche Gewalt, nur mit dem siebten Sinn für potenzielle Gefahren und gehöriger Menschenkenntnis.

Sie sichert ihm am Ende das Leben und fordert dem Leser großen Respekt ab. Wie er seinen Kumpel Rey mal genussvoll, mal reumütig betrügt, der Versuchung eines neuen Bankraubs widersteht und immer wieder seinen Kopf aus der Schlinge zieht, mutet wahrhaft artistisch an. Lässt er doch jeden seiner Konkurrenten und Feinde wiederholt ins Leere laufen. Dass er dabei keinem vorgefassten Plan folgt und mehrfach in Gefahr gerät, macht ihn ebenso glaubhaft wie sympathisch. Foley ist in diesem Roman eindeutig der überlegene Charakter, doch spürbar wird vor allem das von Leonard geschickt inszenierte Wechselspiel zwischen krimineller Energie und kriminellem Ethos.

Cundo Rey betrachtet sich und Foley als „Road Dogs“, ehemalige Knastkumpels, die einander blind vertrauen können und durch dick und dünn gehen. Foley hingegen ist und bleibt der Sonnyboy-Gangster mit Charme, Manieren und gutem Aussehen. Eine Freundschaft, die auf losem Grund gebaut ist, weil beide ein ganz entgegengesetztes Verbrecherethos pflegen und ihre einzige Gemeinsamkeit letzlich darin besteht, dem anderen zu misstrauen. Mit Verve lässt Leonard beide aufeinander los und andere Figuren genussvoll daran zerbrechen. Neben raffinierten Verschwörungen und plumpen Täuschungsmanövern versprüht dieser „Clash of Characters“ Funken, die Spannung und Witz erzeugen. Die Ansteckungsgefahr liegt bei 100 Prozent.

Jörg von Bilavsky

Elmore Leonard: Road Dogs (Road Dogs, 2009). Aus dem amerikanischen Englisch von Conny Lösch und Kirsten Riesselmann. Frankfurt am Main: Eichborn 2011. 303 Seiten. 19,95 Euro.