Geschrieben am 14. Dezember 2013 von für Bücher, Crimemag

Frank Bill: Der Geschmack der Gewalt

Frank_Bill_Der_Geschmack_der_Gewalt„Pfuhl der Wehrlosigkeit“

– Im direkten Fight gegen „Fight Club“ hat Frank Bills Romanerstling „Der Geschmack der Gewalt“ schlechte Karten, findet Sophie Sumburane.

Wir befinden uns irgendwo im Nirgendwo des amerikanischen Mittleren Westens, einer krisengebeutelten Region der USA. Hier gibt es nichts außer Verlierer, brutale, desillusionierte Menschen, die einzig an die Macht des Stärkeren glauben, und natürlich Drogen. Chemische Drogen, ausgefallene Zähne und Whiskey. Mit diesem Cocktail liefert der amerikanische Autor Frank Bill in seinem Debütroman „Der Geschmack der Gewalt“ etwas ab, das ganz klar ins Genre „transgressive fiction“ einzuordnen ist und sich somit in die Tradition des Klassikers „Fight Club“ von Chuck Palahniuks stellt. Doch auch ebenso klar daneben verblasst.

Der Kämpfer Jarhead hat nur ein Ziel: Donnybrook. Ein Volksfest, auf dem es eigentlich nur darum geht, sich mit den blanken Fäusten zu bekämpfen. Der Sieger bekommt ein Preisgeld, doch eigentlich gibt es nur Verlierer. Das muss auch der Meth-Koch Chainsaw Angus erfahren, der von seiner (selbstverständlich) übernatürlich attraktiven Schwester Liz ausgenommen und beinahe umgebracht wurde. Nun jagt er sie und ihren Begleiter Ned bis zum Donnybrook, doch auch er wird natürlich gejagt: vom Sheriff mit dunklem Geheimnis und von einem asiatischen Geldeintreiber. Die verschiedenen Wege nach Southern Indiana kreuzen sich im Verlauf des Buches immer wieder, auf so gut wie jeder Seite fließt jede Menge Blut, brechen Knochen, fliegen Exkremente, werden Flüche ausgestoßen.

Die Figuren in „Der Geschmack der Gewalt“ haben absolut nichts mehr zu verlieren, sie „kämpfen wie halbverhungerte Schweine, die sich im Schlamm suhlen“. Der Autor schafft es dabei nicht, den Leser bei der Stange zu halten, was daran liegen kann, dass im Buch mehrmals Sätze wie: „Ned zertrat Mikes Gesicht zu einem Pfuhl der Wehrlosigkeit“ vorkommen, ständige Wie-Vergleiche verwendet werden („Zigarettenqualm, dick wie der Rauch brennender Reifen“) und alles in allem im Vergleich zum Kollegen Donald Ray Pollock der Eindruck von Literatur nicht aufkommen will. Da hilft es auch nicht, dass Pollock, der mit „Knockemstiff“ in diesem Jahr bei Liebeskind einen wertvollen Beitrag zum Genre lieferte, lobende Worte unter den Klappentext setzt: „Wo zur Hölle kommt dieser Kerl her?“

Die sozialkritische Aussage des Buches, die ähnlich ist wie bei Pollock, hängt überdeutlich über dem Text, denn der Autor schafft ein stark überzeichnetes Porträt der US-amerikanischen „Verlierer-Gesellschaft“. Überall lauern Bastards, Drogenabhängige, Gewalttäter und Schlampen. Alle ohne Träume und Zukunft, die einzige Arbeitsstelle in der Nähe schließt bald ihre Pforten und was den Menschen bleibt, ist Gewalt, um ihre Kinder ernähren, medizinische Versorgung sicher zu stellen und einfache lebensnotwendige Dinge zu bekommen. Dabei ist der Verfall irgendwie einseitig. Während den Männern beinahe alle Zähne aus dem Mund faulen, ihr Gestank nach Kampfschweiß und Blut sich in der Kleinstadtluft mischt, ist die einzige weibliche Protagonistin rattenscharf, wohlriechend, obersexy, knallgeil, ständig feucht und immer bereit. Woran sich ein weiteres Manko des Textes zeigt: Adjektive im Überfluss, vor allem, wenn es um die Beschreibung der übernatürlichen Schönheit Liz’ geht.

Auch wenn die New York Times zu Frank Bill „Brutal lustig!“ zu sagen hat, sucht der Leser nach lustigen Stellen vergeblich. Brutale dagegen springen ihm ins Gesicht und lassen nicht ab.

Sophie Sumburane

Frank Bill: Der Geschmack der Gewalt (Donnybrook, 2013). Roman. Deutsch von Johann Christoph Maass. Berlin: Suhrkamp 2013 228 Seiten. 14,99 Euro. Verlagsinformationen zum Buch. Zur Homepage von Sophie Sumburane.

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