Spasemach mit Ouzo-Power
Fünfzehn Jahre hat es gedauert, bis der Hamburger Autor Frank Schulz nun endlich seine „Hagener Trilogie“ beendet hat. Was 1991 mit Kolks blonde Bräute in einem „Kaff“ bei Hamburg seinen Anfang nahm und 2001 mit dem monumentalen Morbus Fonticuli seine Fortsetzung in Hamburger Spelunken nahm, findet nun seinen krönenden Abschluss unter der Sonne Griechenlands.
Hierhin, in das fiktive kleine Örtchen Kouphala, an Odysseus’ Gestade, hat es Bodo Morten verschlagen, jenen tragischen Helden, der in Morbus Fonticuli Opfer seines aufreibenden Doppellebens voll Suff und erotischer Eskapaden wurde. Nach längerem Aufenthalt in der Psychiatrie hat er es nicht in Hamburg, selbst in Beekdörp (dem „Kaff“) nicht ausgehalten. Eine wahre Einsiedlerklause abseits jenes ohnehin abseits gelegenen griechischen Dorfes ist seine neue Heimat. Für Bodo hat es sich „ausgebärbelt“ (wir erinnern uns an die fordernde Floristin aus Morbus Fonticuli und vor allem an ihren üppigen Hintern) und Anita, seine leidgeprüfte Frau, hat sich von ihm scheiden lassen. Überhaupt hat er allen „Linksknöpfern“ – so sein Schimpfwort gegen Frauen, das ihm als Mantra gegen weibliche Verlockungen gilt – entsagt und auch den Alkohol hat er aus seinem Leben verbannt.
Dieses hat er mittels eines strengen Stundenplans in Einheiten unterteilt, die dem Schwimmen, dem Griechischen, der Meditation und anderen erbaulichen Tätigkeiten gewidmet sind. Dass Bodo Morten allen weltlichen Freuden abgeschworen hat, bedeutet aber noch lange nicht, dass um ihn herum nicht gesoffen und gevögelt würde, dass es nur so eine Art hat: Hierfür sorgen in hohem Maße die aus Hamburg angereisten Karin und Manu nebst griechischer „Verführungskünstler“ aller Alters- und Charmeklassen.
Der innere Frieden Bodos wird jedoch empfindlich gestört, als eines Tages Monika Freymuth in Kouphala auftaucht, seine Beekdörper Schützenprinzessin und Jugendliebe. Monika ist eigentlich ihrem Gatten auf der Spur, der einer Ehekrise nach Griechenland entflohen ist, doch der Zufall oder das böse Schicksal hat sie nach Kouphala geführt.
Einige Tage kann Bodo seine Gefühle im Zaum halten, doch dann – zunächst von ihm unbemerkt – keimt die alte Liebe wieder auf. Vor allem aber droht der schreckliche „Doäß“ wiederzukommen, der ungezügelte Drang nach Alkoholischem. In seiner Not beschließt Bodo, sich an das Ouzo-Orakel zu wenden, einem Einsiedler, der gegen das bescheidene Opfer mehrerer Liter Ouzo Ratschläge erteilt…
Bei aller griechischen Lebensfreude, bei all den kulinarischen Gelagen, bei allem Sonnenschein und aller Hitze ist Das Ouzo-Orakel ein eher melancholischer Abschluss der Trilogie. Schulz nimmt sich diesmal besonders viel Zeit, die Charaktere zu zeichnen, die Landschaft, die Geräusche und Gerüche fein aufeinander abzustimmen. Seiner bewundernswerten Sprachbeherrschung ist es zu danken, dass hierbei nie Langeweile aufkommt. Hier sitzt jeder Satz, mit ungemeiner Präzision fügt sich hier eins ins andere; Dialoge landen punktgenau – und das bei größtmöglicher Pointenausbeute. Und dass Schulz ein Gespür für gesprochene Sprache jeglicher geographischer oder sozialer Färbung hat, muss er nach den beiden Vorgängerromanen nicht mehr unter Beweis stellen. Ob der berlinernde Esoterik-Freak Sven oder der griechisch-deutsch radebrechende Spyros, bis hin zu den „Nebenrollen“ sind alle Figuren aufs liebevollste bis in sprachliche Marotten hinein durchkomponiert.
Erfreulich für den Neueinsteiger dürfte sein, dass die Lektüre der ersten Romane keinesfalls unabdingbar ist, um Das Ouzo-Orakel verstehen und genießen zu können. Der Genuss ist allerdings um ein vielfaches größer, wenn man Bodo Mortens Werdegang von Beginn an verfolgt hat – ganz ähnlich verhält es sich mit den zahlreichen Anspielungen und Querverweisen auf griechische Mythologie.
Für Schulz-Leser ungewohnt dürfte das Gefühl der Wehmut sein, das einen auf den letzten Seiten erfasst. Wehmut, weil es Abschied von Kouphala zu nehmen heißt; Wehmut, weil auch im sonnigen Griechenland der Tod unvermutet zuschlägt; Wehmut, weil eine Trilogie (außer bei Douglas Adams) nach drei Bänden abgeschlossen ist. Bei Frank Schulz gehen große Literatur, große Gefühle und großer Spaß eine innige Verbindung ein, wie sie ohne Beispiel ist.
Frank Schorneck
Frank Schulz: Das Ouzo-Orakel
Eichborn Berlin
544 Seiten
EUR: 24,90