Geschrieben am 21. März 2012 von für Bücher, Litmag

Frédéric Wandelère: Hilfe fürs Unkraut

Fort mit dem Wind

– Die Gedichte des westschweizer Lyrikers Frédéric Wandelère, betrachtet von Carl Wilhelm Macke.

Man schweift zunächst neugierig über die Titel einiger Gedichte dieses Bandes. „Rotkelchen am Feuer“ finden wir da oder „Morgenlicht“, „Der Schmetterling“ , „Die Heuschrecke“, „Die Oktoberheuschrecke“, „Der Hund und die Sau“. Wären es die Titel alleine, dann wären wir nicht neugierig auf diese Gedichte. Aber dann ist da auch Philippe Jaccottet, der das Vorwort geschrieben hat. Und übersetzt haben die Gedichte Elisabeth Edl und Wolfgang Matz, die zu den ganz Großen der zeitgenössischen Übersetzer aus dem Französischen zählen. Elisabeth Edl zum Beispiel arbeitet gerade an einer Neu-Übersetzung der „Madame Bovary“ und hat bereits hoch gerühmte Übersetzungen von Stendhal in den letzten Jahren präsentiert. Also besser kann man einen (für uns neuen) Schriftsteller nicht auf den deutschsprachigen Markt einführen. Frédéric Wandèlere (geb. 1949) lebt in Fribourg und hat, so entnehmen wir dem Nachwort von Edl/ Matz, bereits sechs Gedichtbände publiziert.

Und Jaccottet, selber einer der großen zeitgenössischen Lyriker französischer Sprache, schreibt in seinem Vorwort: „Welch seltenes Wunder, wenn die alltäglichsten Worte in den Händen eines sinnlichen und zärtlich Faulpelzes des brennenden Schmerz jeder Abwesenheit und selbst des Todes lindern, und sei es im schütze der Melancholie“. Voilà, damit wären wir schon mittendrin in dem Werk von Wandelère. Dass man sich für die Lektüre eines jeden guten Gedichts Zeit und Konzentration nehmen sollte, gilt bei diesen Gedichten von Wandelère ganz besonders. Sie scheinen auf den ersten Blick sehr unbedeutenden kleinen Tieren, Pflanzen, Alltagserfahrungen gewidmet zu sein. Liest man diese Gedichte aber häufiger und intensiver, öffnen sie sich dem Leser wie eine Blüte unter dem Sonnenlicht.

Ganz besonders nachhallend die „Vier Grabsteine aus Wind“: „Leichter denn je/ sie, die ohnehin/ nichts wog, öffnete/ nicht einmal ihre Tür/ den Besuchern, seit / so langer Zeit fort/ von dieser Erde, die sie/ kaum noch berührte“// (Fort mit dem Wind, in memoriam Yvonne Guggenheim).

Und weiter, in einem anderen Gedicht: „Der Tod ist eine Frau die stets achtlos an mir vorüberging/ und mich nicht sah, doch wie eine beschwipste Tänzerin/ der man leichtfertig schöne Augen macht/ hat sie mich dann gesehene. Jetzt läuft sie/ meinen Freunden nach, behelligt sie ganz/ ungeniert oder sinkt ihnen voll Lust/ an die Brust/“.

Viele Gedichte, so zitieren die Übersetzer in ihrem Nachwort den Dichter, „warten für Jahre in der Ungewissheit, im Unvollkommenen und im Unvollendeten.“ Gehetzt und stranguliert von einer Zeit, in der nur Schnelligkeit, der Erfolg, ein in Umsatzzahlen ablesbarer Gewinn zählt, sind die Gedichte von Wandelère vollkommen antiquiert, überflüssig, sinnlos. Aber für jeden Freund der Lyrik, das heißt des verantwortlichen und meditierenden Umgangs mit dem Wort, vermitteln diese Gedichte eine einzige große Entdeckerfreude.

Gedichte, wie es im Vorwort heißt, die nichts anderes wollen, als zu verzaubern. Die die Aufmerksamkeit des Lesers auf Motten, Schmetterlinge und Säue lenken. Wandelère ist der Dichter, der das Unscheinbare des Alltags und der Natur in Poesie zu verwandeln vermag. Wer seine Gedichte liest, nimmt danach die Welt anders wahr, genauer, konzentrierter, empfindsamer .

Carl Wilhelm Macke

Frèdeèric Wandelère: Hilfe fürs Unkraut. Gedichte. Aus dem Französischen von Elisabeth Edl und Wolfgang Matz. Bd. 22 der Edition Lyrik Kabinett. Carl Hanser Verlag 2012. 144 Seiten. 14,90 Euro.

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