Eine Hochzeit und ein Todesfall
In seinem zweiten Roman stellt Georg M. Oswald mit wunderbarer Ironie die Welt der Schönen und Reichen bloß.
Mit „Alles was zählt“, einer Kriminalgeschichte um Macht, Geld und Erfolg, ist ihm der große Durchbruch gelungen, auch international: Übersetzungen in zwölf Sprachen sind für einen jungen deutschen Autor schon ein beachtlicher Erfolg.
Nun also „Im Himmel“ – schon der Titel kann in vielerlei Richtungen gedeutet werden. Ist er eine Anspielung auf die nur scheinbar sorgenfreie Schicki-Micki-Welt, aus der heraus der Ich-Erzähler berichtet, oder ist der siebte Himmel der Ehe gemeint oder findet sich schon im Titel eine Anspielung auf den unrühmlichen Abgang eines der Protagonisten?
Nichtsnutz aus betuchtem Hause
Ich-Erzähler Marcel ist ein zwanzigjähriger Nichtsnutz aus betuchtem Hause, der nach mehreren vergeigten Anläufen auf staatlichen Schulen nun auf einem privaten Internat eine letzte Chance bekommt, sein Abitur zu machen. Die Erzählung beginnt mit seiner Ankunft auf Schloss Auenberge, doch dient dies nur als Aufhänger, die vergangenen Wochen der Sommerferien Revue passieren zu lassen. Eine Woche hat Marcel Zeit, sich in dem Internat einzuleben, bevor der Unterricht beginnt: Eine Woche, die er nutzen will, die Geschichte niederzuschreiben, die „von Verrat, von Geld und Tod, vielleicht auch von Liebe“ handelt, und von der er dennoch befürchtet, „all das sei von ungeheurer Nichtigkeit“.
Mit dieser Einschätzung liegt er gar nicht so falsch: die Einwohner des Villenviertels am Starnberger See (übrigens von den „normalen“ Bürgern „Paradies“ genannt) sind nichtssagend und oberflächlich, arrogant und egozentrisch, wie es kaum zu überbieten ist und wie es das Klischee gebietet. Marcels Vater, der früher mal als Musikjournalist die Ramones interviewte, ist nun Rechtsanwalt und Porschefahrer. Er vergisst den Geburtstag seines Sohnes und hält 200 Euro für ein wundervolles Geschenk. Die Frauen in diesem Ort beschäftigen sich mit Wellness oder Gartenarbeit, was hier bedeutet, „dass sie in Gummistiefeln hinter einem Gärtner stehen und ihm sagen, was er tun soll“.
Am Pool der Nachbarn trifft sich eine Gruppe Jugendlicher, man zieht träge Bahnen (und an Joints), Tabletten werden eingeworfen, abends fährt man ins „Reich und Schön“.
Wunderbar ironischer Unterton
Es gibt also Gründe genug, sich von diesem Buch abzuwenden – doch das wäre eindeutig ein Fehler. Denn Oswald schafft es mit einem wunderbar ironischen Unterton, mit feiner Beobachtungsgabe, den Leser für sich zu gewinnen. Seine Schilderungen von Marcels Drogenerlebnissen, seine Widergabe inhaltsloser Dialoge unter den Jugendlichen ebenso wie unter den Juristen, Ärzten, Managern und ihren dekorativen Ehefrauen sprühen vor bloßstellendem Witz. Nur wirklich nahe gehen will mir das eigentlich tragische Geschehen dieser Sommerferien nicht.
Georg M. Oswald ist mit „Im Himmel“ eine unterhaltsame, angenehm leichte Spätsommerlektüre gelungen, eine Satire, die nicht wirklich jemandem weh tun wird, aber durchaus Spaß bereitet. Nur, falls Oswald mit diesem Roman mehr bezweckt haben sollte, hat er dieses Ziel nicht erreicht.
Frank Schorneck
Georg M. Oswald: Im Himmel. Rowohlt, 185 Seiten. 16,90 Euro. ISBN: 3-498-05035-4