Aus der aktuellen Produktion
In den letzten Monaten hat sich Joachim Feldmann kreuz und quer durch die ganz durchschnittliche Krimi-Produktion gelesen – neue Autoren angeschaut, bekannten eine Chance gegeben. Manchmal gezielt, manchmal mit Zufallsfaktor. Vor der Sommerpause hier noch ein paar seiner Leseeindrücke und ein Blick auf das neue Buch von Louise Welsh, das erst nächste Woche in den Buchhandlungen liegen wird.
Ilkka Remes: Tödlicher Sog
Dass auch im Staate Schweden so manches faul ist, weiß das deutsche Krimipublikum nicht erst seit die voluminösen Schmöker eines Stieg Larsson die Bestsellerlisten erobert haben. 1968 erschien in Rowohlts legendärer Thriller-Reihe unter dem Titel Die Tote im Götakanal die Übersetzung des Romans Roseanna (1965), in dem ein Kriminalbeamter namens Martin Beck seinen ersten Auftritt hatte. Das Autorenpaar Maj Sjöwall und Per Wahlöö hatte sich, angeregt durch die von ihm übersetzen Romane Ed McBains um das 87. Polizeirevier, entschlossen, eine vergleichbare Serie in Schweden anzusiedeln. War der Auftakt noch ein verhältnismäßig konventionell angelegter Kriminalroman, so entwickelte sich die Reihe in den folgenden neun Bänden zu einer geharnischten Abrechnung mit den Schattenseiten des schwedischen Wohlfahrtsstaates und begründete damit eine bis heute andauernde Tradition sozialkritischer Aufklärung im Medium der Spannungsliteratur.
Waffenexporte
Nun ist es kein Geheimnis, dass das kleine friedliebende Land im Norden Europas eine hocheffiziente Rüstungsindustrie unterhält und auf Platz 9 der weltweit größten Waffenexporteure steht. (Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass Deutschland den dritten Rang auf dieser unrühmlichen Liste einnimmt.) Diesem peinlichen Aspekt der schwedischen Politik widmet sich der finnische Thrillerautor Ilkka Remes in seinem neuen Roman Tödlicher Sog. Zentraler Bezugspunkt der spannend aufbereiteten Handlung ist der bis heute nicht wirklich aufgeklärte Untergang der Fähre Estonia im Jahre 1994. Die mit 852 Toten schwerste Schiffskatastrophe in der europäischen Nachkriegsgeschichte birgt noch immer etliche Rätsel und die Lektüre von Remes’ Buch erweckt den Eindruck, dass einflussreiche Kräfte ein großes Interesse daran haben, dass dies auch so bleibt.
Als gesicherte Erkenntnis gilt allerdings inzwischen, dass die Fähre benutzt wurde, um Rüstungselektronik und andere militärische Güter aus dem Einflussbereich der früheren Sowjetunion nach Schweden zu transportieren.
Geschäften dieser Art kommt der Sicherheitsunternehmer Tero Airas aus Helsinki auf die Spur, als er versucht zu beweisen, dass sein Sohn Roni, ein vielversprechender Rennfahrer, unschuldig am Tod seiner ehemaligen Freundin Julia ist. Das ist alles andere als einfach, denn Roni hat sich am Abend der Tat mit Julia gestritten und ist sogar gewalttätig gegen sie geworden. Doch umgebracht hat er sie nicht, das beteuert er inständig und sein Vater glaubt ihm. Was dieses Verbrechen mit dem Untergang der Estonia und den schmutzigen Geschäften, in die internationale kriminelle Organisationen ebenso verwickelt sind wie der schwedische Geheimdienst, zu tun hat, soll an dieser Stelle nicht rekonstruiert werden. Ilkka Remes versteht es nämlich glänzend, die unterschiedlichen Handlungsstränge des Romans zu einem verblüffenden Plot zu verknüpfen. Dass er dabei Sensationalismen á la Stieg Larsson vermeidet, ist ein weiterer Pluspunkt des Romans. Die Identifikationsfiguren in Tödlicher Sog sind keine Comic-Superhelden, sondern relativ unspektakuläre Zeitgenossen mit menschlichen Schwächen, die gezwungen sind, sich gegen widrige Umstände zu behaupten. Auch die Schar der Schurken zeichnet sich weniger durch diabolische Züge als durch ein nüchternes Geschäftsgebaren aus. Wer also auf unterhaltsame Weise wieder einmal davon überzeugt werden will, dass das Paradies auf Erden auch weiterhin ein frommer Wunsch bleiben wird, ist mit diesem beachtlichen Thriller bestens bedient.
Richard Kunzmann: Blutige Ernte
Umgerechnet 40 Milliarden Euro, so war neulich in einer Zeitung zu lesen, habe die südafrikanische Regierung im Zusammenhang mit der diesjährigen Fußballweltmeisterschaft seit 2006 in die Infrastruktur des Landes gesteckt. Doch hinter den modernen Fassaden, auch das wusste das Blatt zu berichten, brodele weiterhin die Armut. In Ramaphosaville, einem Elendsviertel am Rande der Metropole Johannesburg, gebe es gerade vier öffentliche Wasserhähne für 25.000 in Blechhütten untergebrachte Bewohner.
Es hat sich also nicht viel geändert an den Zuständen, die der 1976 in Namibia geborene Schriftsteller Richard Kunzmann in seinem 2004 erschienenen Krimidebüt, das jetzt unter dem Titel Blutige Ernte in deutscher Übersetzung vorliegt, beschreibt: Ponte City, ein monströses „Gebäude aus unverputztem Beton“, das die Skyline Johannesburgs überragt, besteht aus „zahllosen, um eine Mittelachse angeordneten Wohnungen“. Hier hausen die Ärmsten der Armen. „Prostituierte leben wie Vieh in winzigen Zimmern zusammengepfercht, durch von der Decke hängende Handtücher voneinander getrennt, und Scharen illegaler Einwanderer rufen einander beim Aufhängen ihrer armseligen Lumpen an den Fenstern über die dunkle Leere unter ihnen hinweg den neuesten Klatsch zu.“ Doch im obersten Stockwerk des Hochhauskomplexes befindet sich eine luxuriös ausgestattete Wohnung. Hier residiert „der Albino“, ein aus Nigeria stammender Gangsterboss, der sein Drogenimperium mit brutaler Gewalt und schwarzer Magie regiert. Denn in den Augen der unter erbärmlichen Bedingungen lebenden schwarzen Bevölkerung verfügt der skrupellose Manipulator mit der sonnenempfindlichen hellen Haut über okkulte Fähigkeiten. Und das verschafft ihm Respekt.
Um harmlosen Hokuspokus handelt es sich bei diesen Zauberpraktiken übrigens nicht. Besondere magische Kraft wird menschlichen Organen zugeschrieben und um diese zu beschaffen, schrecken „der Albino“ und seine Helfershelfer auch vor Entführung und Mord nicht zurück. Die Opfer sind vor allem junge Mädchen, da deren Körperteile als besonders wirksam gelten. Detective Jacob Tshabalala befürchtet also Schlimmstes, als eine ausgeblutete Mädchenleiche gefunden wird, der zudem die inneren Organe entnommen wurden. Der schwarze Polizist stammt aus einer Familie, in der die Beschäftigung mit dem Übernatürlichen Tradition hat. Sein weißer Kollege Harry Mason will davon nichts wissen. Er vermutet, dass hier ein Serienmörder am Werk war. Auch Mason hat persönliche Gründe für sein Verhalten, von denen sein Partner nichts weiß. Ein traumatisches Erlebnis während seiner Kindheit in England beschert ihm noch immer Albträume.
Gewalt & Schwarze Magie
Man kann sich also vorstellen, dass die Zusammenarbeit der beiden Kriminalisten nicht konfliktfrei verläuft. Und dies ist angesichts eines schwer fassbaren Gegners, von dessen Existenz sie zunächst nichts ahnen, ziemlich problematisch. Ironischerweise ist es ausgerechnet der rassistische Polizist Mitchell von der Abteilung Okkultes, der den Verdacht in die richtige Richtung lenkt. Diesem moralisch zweifelhaften Ermittler könnte man sich übrigens gut in einer prominenteren Rolle vorstellen. Doch Kunzmann hat offenbar Figuren mit einem höheren Identifikationspotenzial den Vorzug gegeben. Sowohl Mason als auch Tshabalala sind integre Charaktere, deren persönliches Schicksal berührt. Während Harry Mason ständig unter einem schlechten Gewissen leidet, weil er Frau und Tochter vernachlässigt, ringt Jacob Tshabalala mit der Kultur seines Volkes. Indem er Polizist wurde, anstatt seinem Vater, einem berühmten Heiler, nachzufolgen, hat er sich der Familientradition verweigert.
Man kennt solche Konstellationen aus anderen Kriminalromanen. Dass sich das Gefühl, wieder einmal altgediente Klischees serviert zu bekommen, nur selten einstellt, ist der eindrucksvollen Schilderung des Umfelds geschuldet, in dem Kunzmann seine Protagonisten ermitteln lässt. Und glaubt man Berichten, wie dem zu Anfang zitierten, ist zu befürchten, dass es sich durchaus um eine realistische Darstellung handelt. Sinnvoll scheint dem Rezensenten auch die Entscheidung, den Roman im Präsens zu erzählen, verleiht dieses Tempus der Handlung doch eine Unmittelbarkeit, der man sich nur schwerlich entziehen kann. Dass ein beherztes Lektorat das Buch um mindestens hundert Seiten hätte entlasten können – manche Nebenhandlung scheint durchaus entbehrlich –, ist eine Feststellung, die auf viele zeitgenössische Kriminalromane zutrifft. Hingegen würde der in Sachen Okkultismus unbewanderte Leser durchaus von einem Glossar profitieren, in dem Ausdrücke wie „Muti“, „Sangoma“ oder „Baloyi“ erklärt werden.
Renée Pleyter: Der Mann vom Jahrmarkt
Im ostwestfälischen Detmold wird eine junge Frau erfroren auf einer Parkbank gefunden. Es gibt keine Anzeichen äußerlicher Gewaltanwendung. Den Abend zuvor hatte sie mit Freundinnen auf der Andreasmesse, einem traditionellen Jahrmarkt, verbracht. Die Kriminalpolizei ist zunächst ratlos. Als sich jedoch eine Zeugin meldet, die berichtet, wie ihr ein Kirmesbesuch, in diesem Fall des Pollhansmarktes im 25 Kilometer entfernten Schloss Holte, durch einen „Filmriss“ vergällt worden sei, hat Kommissar Wilke einen schlimmen Verdacht. Jemand scheint den Frauen eine Droge verabreicht zu haben. Ein Wiederholungstäter also, der den Kirmesrummel nutzt, um seine Opfer auszuspionieren und sie sich dann, zu welchem Zweck auch immer, gefügig zu machen.
Während Wilke und sein Kollege Rothmann noch rätseln, was das Motiv dieses absonderlichen, aber skrupellos agierenden Unholds wohl sein mag, ist der Leser längst informiert.
Unhold Stahl
Der Mann vom Jahrmarkt, dessen ausführliches Psychogramm im Mittelpunkt von Renée Pleyters gleichnamigem Thriller steht, heißt Albert Stahl und arbeitet während der Saison auf allen großen westfälischen Jahrmärkten für den Betreiber eines Festzeltes. Was ihn dazu bewegt, Mädchen mit der Droge Liquid Extasy außer Gefecht zu setzen, sie dann zu schminken und zu kostümieren, um schließlich Fotos von ihnen zu machen, wird durch einen Rückblick in seine schreckensreiche Kindheit und Jugend zumindest ansatzweise erklärt. Gepeinigt von einer bigotten Mutter flüchtet sich der kleine Albert in die Obhut seiner älteren Schwester Bettina, deren Verhalten ihm aber auch zunehmend rätselhaft erscheint. Wie es weitergeht, sei an dieser Stelle ebenso wenig verraten wie die umfassende, und für aufmerksame Leser wenig überraschende, Aufklärung des Falles auf den letzten dreißig Seiten des Buches. Wer also, von der vollmundigen Verlagswerbung irregeleitet, ein zünftiges „Whodunnit“ im Schaustellermilieu erwartet, wird enttäuscht werden, denn damit kann der Roman nicht aufwarten.
Stattdessen begibt sich die Autorin mit diesem über weite Strecken packend geschriebenen Psychothriller auf ein vom Spannungsaufbau her nicht unproblematisches Feld, denn sie muss das Interesse des Lesers vom Plot weg und hin zur Persönlichkeit des Täters lenken. Dass ihr dieses Kunststück gelingt, macht Der Mann vom Jahrmarkt zu einem bemerkenswerten Exemplar des Genres.
Peter Robinson: Wenn die Dämmerung naht
Eigentlich haben die beiden Morde nichts miteinander zu tun. An Yorkshires steiler Küste wird einer hilflosen Frau im Rollstuhl die Kehle durchgeschnitten, und in einem Kneipenviertel der (fiktiven) Stadt Eastvale fällt eine Neunzehnjährige einem Sexualverbrechen zum Opfer. Während sich Detective Inspector Annie Cabbot um den Mord am Meer kümmert, versucht Detective Chief Inspector Alan Banks herauszufinden, ob sich unter vergnügungssüchtigen jungen Leuten, die an jedem Wochenende die Innenstadt zur Partyzone erklären, ein Mörder befindet. Bei ihren Ermittlungen stoßen die beiden Kriminalisten auf Merkwürdigkeiten – so lässt sich zunächst fast nichts über die Identität des ersten Opfers herausbekommen –, doch nach einer Weile wird klar, dass eine Verbindung zu einem der grausigsten Verbrechen, mit dessen Aufklärung Banks und Cabbot je betraut waren, besteht. Nachlesen lässt sich der Fall in einem Kriminalroman, der 2003 unter dem einigermaßen blöden ‚denglischen’ Titel Wenn die Dunkelheit fällt erschienen ist. (Das Original heißt, wie das Stones-Album von 1966 schlicht Aftermath.)
Robinson, Foto © Jerry Bauer
Die Vergangenheit ist nicht vergangen
In seinem inzwischen 17. Alan-Banks-Roman, sinnigerweise Wenn die Dämmerung naht betitelt, greift der in Kanada lebende englische Autor Peter Robinson die alte Geschichte wieder auf. Und zeigt, dass es eine Vergangenheit gibt, die einfach nicht vergehen will.
Waren die ersten Romane Robinsons noch relativ schlicht gestrickte “Whodunnits“, so erweist er sich spätestens seit dem 1999 erschienenen In a Dry Season (dt. In einem heißen Sommer), mit dem ihm auch hierzulande der Durchbruch gelang, als ein Meister komplexer Plots. Auch in Wenn die Dämmerung naht versteht er sich darauf, seine Leser in die Irre zu führen, um dann doch ihre schlimmsten Befürchtungen wahr werden zu lassen.
Ein harmloses Spiel mit falschen Fährten ist das allerdings nicht. Jede Nebenhandlung trägt das Ihre zu Robinsons großem Thema, und das ist der Stand der Geschlechterverhältnisse nach der Auflösung der tradierten Rollenmuster in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts, bei. Da sieht es offenbar finster aus. Annie Cabbot muss sich der penetranten Avancen eines Jungspunds erwehren, mit dem sie in trunkenem Zustand eine Nacht verbracht hat, der Vater eines Mordopfers erfährt vom Tod der Tochter, während er sich munter einem Seitensprung hingibt, und die schwarze Polizistin Winsome Jackman lernt, dass ihre strikten Moralvorstellungen im heutigen Britannien vollkommen deplatziert wirken. Und so sehr man es dem sympathischen Banks auch gönnen würde, dass das gegen Ende des Romans sich andeutende private Glück konkretere Formen annimmt, wirklich dran glauben mag man nicht. Dass mit dieser Welt etwas nicht stimmt, wüsste man also schon, ohne die aufzuklärenden Verbrechen, deren Dimensionen sich der schlichten Inhaltswiedergabe entziehen, zu berücksichtigen.
Kultur lindert …
Zwar nicht Rettung, aber Linderung verspricht da die Kultur. Banks liest anspruchsvolle Bücher und kennt sich mit Musik, sei es Blues, Jazz oder Klassik, bestens aus. Und wenn er einen unliebsamen Kollegen charakterisieren möchte, fällt ihm eine klassische Romanfigur ein. An solchen Stellen hätte man ihn gerne ein wenig primitiver. Doch das ist wohl eine Frage des persönlichen Geschmacks. Peter Robinson bewegt sich eben immer noch auf jenem Terrain, das einst von Autorinnen wie P.D. James und Ruth Rendell abgesteckt wurde.
Noch ein Wort zur Übersetzung: Abgesehen von dem einen oder anderen Anglizismus hat Andrea Fischer den Roman in ein gut lesbares flüssiges Deutsch gebracht. Und für die Titelwahl kann sie ja wahrscheinlich nichts.
Louise Welsh: Das Alphabet der Knochen
Dr. Murray Watson, Literaturwissenschaftler an der Universität Glasgow, hat es nicht leicht. Sein Künstlerbruder Jack provoziert ihn mit Videoarbeiten, die sich dem demenzerkrankten Vater der beiden widmen. Die Affäre mit seiner Kollegin Rachel könnte, würde sie öffentlich, unangenehme Folgen für seine Karriere haben, schließlich ist die Dame mit dem Chef des Fachbereichs verheiratet. Und mit der Forschung geht es auch nicht so recht voran. Ausgerechnet dem früh verstorbenen Dichter Archie Lunan, dessen überschaubarer Nachlass wenig aufschlussreich ist, will Watson eine Biografie widmen. Als Sechzehnjähriger war ihm in einem Antiquariat eine Ausgabe von Lunans einzigem Lyrikband Moontide in die Hände gefallen. Fasziniert von dessen Cover hatte er das Büchlein für 50 Pence erworben, war aber erst zwei Jahre später, als er das erste Studienjahr bereits hinter sich hatte, dazu gekommen, es zu lesen. Und das nicht nur einmal. Denn von der Gedichtsammlung „ging ein Zauber aus, der Dr. Murray Watson wie ein stiller Schatten durch die Plackerei der akademischen Welt“ begleiten sollte.
Abgründe der Literaturwissenschaft?
Das behauptet zumindest die englische Autorin Louise Welsh, deren neuer Roman Das Alphabet der Knochen von den existentiellen Abgründen erzählt, in die literaturwissenschaftliche Forschung manchmal führen kann. Je mehr sich Watson nämlich mit den kryptischen Notizen beschäftigt, die Lunan hinterlassen hat, desto rätselhafter erscheint ihm das kurze Leben des dichtenden Bohemiens. Auch das Urteil des einzigen Zeitzeugen, den er zunächst auftreiben kann, klingt eher entmutigend. „Der Kerl war ein Nichts. Kein richtiger Dichter und auch kein richtiger Mann.“ Doch Watson ist wild entschlossen zu beweisen, dass es sich bei Archie Lunan eben nicht nur um einen drogenvernebelten Hippie gehandelt hat, dessen Nachruhm mehr seinem frühen Tod bei einem Segelunfall als seinem literarischen Talent geschuldet ist.
Welsh, Foto (c) Steve Lindridge
Schauerromantik
Bis auf die vor der Westküste Schottlands gelegene Insel Lismore, von der Lunans Mutter stammte und wo der Dichter die letzten Monate seines Lebens in einer Kommune verbrachte, führen die Nachforschungen, um in einem, wie es sich für einen mit Elementen der Schauerromantik spielenden Roman gehört, dramatischen Finale zu gipfeln. Und man stellt befriedigt fest, dass sich jene Figur aus Watsons Umgebung, die schon früh ausgesprochen verdächtig wirkte, tatsächlich als ein Ausbund an diabolischer Energie entpuppt.
Louise Welsh ist mit Das Alphabet der Knochen eines jener reizvollen Bücher gelungen, die eine anständige Dosis Sex und Crime literarisch so geschickt verpacken, dass einer kulturell ambitionierten Leserschaft kaum auffällt, wie an ihre niederen Instinkte appelliert wird. Und das ist doch überaus erfreulich.
Joachim Feldmann
Ilkka Remes: Tödlicher Sog (Pyörre).
Aus dem Finnischen von Stefan Moster.
München: DTV 2010. 464 Seiten. 14,90 Euro.
Richard Kunzmann: Blutige Ernte (Bloody Harvests 2004). Thriller.
Aus dem Englischen von Silvia Visinini.
München: Knaur 2009. 508 Seiten. 8,95 Euro.
Renée Pleyter: Der Mann vom Jahrmarkt.
Bielefeld: Pendragon 2010. 304 Seiten. 10,95 Euro.
Peter Robinson: Wenn die Dämmerung naht.
Ein Alan-Banks-Krimi (Friend of the Devil 2007).
Aus dem Englischen von Andrea Fischer.
Berlin: Ullstein Verlag 2010. 460 Seiten. 22,95 Euro.
Louise Welsh: Das Alphabet der Knochen (Naming the Bones 2010). Roman.
Aus dem Englischen von Wolfgang Müller.
München: Kunstmann 2010. 430 Seiten. 22 Euro.
(erscheint laut Verlag voraussichtlich im Juni 2010)
| Ilkka Remes´ Homepage
| Richard Kunzmanns Blog
| Krimi-Podcast zu Pleyters ,,Der Mann vom Jahrmarkt“
| Pendragon Verlag
| Peter Robinsons Homepage
| Louise Welshs Homepage
| More about Louise Welsh