Geschrieben am 31. Mai 2009 von für Bücher, Crimemag

Jason Goodwin: Die Weisheit des Eunuchen

Eine Stadt brodelt, ein Eunuch ermittelt

Jason Goodwin, im englischen Dorset lebender Historiker und Autor von zwei Kriminalromanen, erhielt für Die Weisheit des Eunuchen 2007 den Edgar-Allan-Poe-Award. – Ein Kauftipp von „Hammett“-Buchhändler Christian Koch.

Im Konstantinopel des Jahres 1836 sorgt das Verschwinden von vier Offiziersschülern der Neuen Garde für erhebliche Unruhe. Vor einem Jahrzehnt formiert, haben die Neugardisten die Janitscharen abgelöst, die bisherigen Elitesoldaten des Sultans. Die waren nach und nach zu einer schwer bewaffneten Mafia des Schreckens mutiert. Aber auch nach zehn Jahren des Wechsels hat sich die politische Situation noch nicht dauerhaft stabilisiert. Moderne Ausbilder der Garde, gerade wenn sie aus anderen Ländern kommen, finden nicht nur Anklang. Um Unruhen vor der bevorstehenden Truppenparade zu vermeiden, wird Yaschim Togalu, ein kluger und weltgewandter Eunuch, vom Befehlshaber des Heeres beauftragt, das Verschwinden der vier jungen Männer aufzuklären. Zeitgleich wird im Harem des Sultans eine seiner Frauen ermordet aufgefunden. Auch diese Ermittlung wird Yaschim aufgetragen.

Dieser eigentümliche Mensch macht den Roman zum Genuss. Zusammen mit dem Eunuchen gleitet man durch eine uns fremde Stadt und Zeit, deren Sitten und vielerlei Besonderheiten. Das Leben vor mehr als 180 Jahren wird anschaulich, weil ungeschminkt dargestellt: Jason Goodwin benutzt seinen Ermittler geschickt als Führer durch die fremden Welten. Unaufdringlich speist er den Kopf des Lesers mit Wissen, das er seit dem schulischen Geschichtsunterricht nie mehr unaufgefordert geboten bekommen hat. So erhält man einen Überblick über die damalige politische Situation Europas, genauso wie anschauliche Informationen über Zünfte, vergessenes Handwerk, Techniken und Realitäten. Glücklicherweise vermeidet der Autor dabei die so oft stattfindende Verklärung und Romantisierung vergangener Zeiten. Armut ist hier Armut, Reichtum Reichtum. Basta.

Ein wenig Sand in die Augen schleudert der Lesefreude die unverständliche Aufteilung des Romans in 132 Kapitel. So ergeben sich Brüche, wo keine nötig sind. Aber sei`s drum, endlich überragt hier einmal wieder eine kompetente Stimme den mittelmäßigen Einheitsbrei von netten, aber ansonsten vollkommen nutzlosen historischen Kriminalromanen. Das vorangestellte Motto des Romans (und das Fazit dieser Rezension) stammt von dem muslimischen Mystiker Hadschi Baktasch Wali: „Den Achtsamen genügt schon eine Andeutung. Dem Heer der Ahnungslosen ist bloßes Wissen nutzlos.“

Christian Koch

Jason Goodwin: Die Weisheit des Eunuchen (The Janissary Tree, 2007). Aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann. Piper Verlag 2008. 361 Seiten. 8,95 Euro.

Ein Kauftipp vom Krimi-Buchhändler unseres Vertrauens: Christian Koch vom Hammett in Berlin: http://www.hammett-krimis.de