Das Unglück nimmt seinen Lauf
Bestechend an diesem Roman ist der trockene schwarze Humor, mit dem Raine seine Charaktere entwickelt. Gerade die Nebenfiguren sind ihm wunderbar geglückt. Die Eskalation der Handlung, die irrwitzige Spirale der Gewalt, die aus einer alltäglichen Situation heraus entsteht, gelingt ihm vollkommen überzeugend.
Woodvale, eine Kleinstadt im Dunstkreis Londons, die Straßen überflutet von einem heftigen Sommergewitter. Ein Tramper am Straßenrand und ein Kleinlaster, der durch eine Pfütze am Straßenrand prescht, dass das Wasser nur so spritzt.
Es ist eine beinahe alltägliche Situation, mit der das Unglück seinen Lauf nimmt. Der Tramper ist Phil Gator, ein gewalttätiger Kleinkrimineller, der für eine Weile im Ausland abgetaucht war, und in Bezug auf nasse Klamotten keinerlei Spaß versteht. Im festen Glauben, dass es sich nicht um ein Missgeschick, sondern um Absicht handelte, zerrt er den Fahrer des Lasters, einen Einundsechzigjährigen, am nächsten Parkplatz aus dem Fahrerhaus und verprügelt ihn. Der alte Mann stirbt kurze Zeit darauf an den Folgen. Dummerweise war der alte Mann der Vater von Frankie Bosser, der wegen Polizistenmordes vor ein paar Jahren schon England verlassen musste. Frankie kehrt nach England zurück, um Abschied von seinem Vater zu nehmen, vor allem aber, um den Mörder seines Vaters zu finden.
Jerry Raine entwickelt aus dieser Konstellation eine spannende Jagd, die in einem mitreißenden Showdown gipfelt. Doch er lässt seinen Roman nicht gradlinig auf diesen zulaufen, er umkreist die finale Konfrontation zwischen Bosser und Gator – von der der Leser weiß, dass sie zwangsläufig kommen muss – wie eine Spinne ihre Beute und vergisst nicht, weitere Handlungsfäden mit einzuknüpfen.
Bestechend an diesem Roman ist der trockene schwarze Humor, mit dem Raine seine Charaktere entwickelt. Gerade die Nebenfiguren sind ihm wunderbar geglückt. Die Eskalation der Handlung, die irrwitzige Spirale der Gewalt, die aus einer alltäglichen Situation heraus entsteht, gelingt ihm vollkommen überzeugend.
Ein völliger Fehlgriff ist hier allerdings das Cover des Buches. Wer südliches Temperament und knisternde Erotik zwischen Salsa und Merengue erwartet, wird bei dem Trip ins verregnete England gerade in diesem Sommer vermutlich weniger Freude haben.
Von Frank Schorneck
Taschenbuch – 219 Seiten – Unionsverlag Erscheinungsdatum: 2000. Aus dem Englischen von Maike Harms; ISBN: 3293201733