Geschrieben am 5. September 2009 von für Bücher, Crimemag

Jim Thompson: Zwölfhundertachtzig schwarze Seelen

Ewiges Schicksal

Jim Thompson wurde 1906 in Oklahoma geboren. Neben dem Schreiben arbeitete er als Ölarbeiter, Hotelpage, Alkoholschmuggler, Fabrikarbeiter und Drehbuchautor. Zwischen 1942 und 1972 schrieb Thompson fast 30 Romane, allesamt in Amerika vom breiten Publikum nur wenig beachtet. Selbst kommerziell erfolgreiche Verfilmungen seiner Romane, wie zum Beispiel The Getaway von Sam Peckinpah, verhalfen Jim Thompson nur zu Wertschätzung bei wenigen Kritikern und den Liebhabern der Noir-Literatur. 1977 stirbt er völlig verarmt in Hollywood. Ein Kauftipp vom Krimibuchhändler unseres Vertrauens, Christian Koch.

Im April dieses Jahres setzte der Züricher Diogenes Verlag erfreulicherweise wieder vier Romane von Jim Thompson auf den Status „lieferbar“. Muttersöhnchen, Der Mörder in mir, Getaway und Zwöfhundertachtzig schwarze Seelen. Somit sind endlich wieder Romane eines Klassikers der Noir-Literatur in deutschen Übersetzungen erhältlich. Das mühsame Suchen im Internet oder in staubigen Antiquariaten hat, zumindest bei diesen vier Titeln, damit endlich ein Ende. Also ein Grund zur reinen Freude?

Leider nein, denn die Neuveröffentlichung wird sich nicht wiederholen. Laut Verlag ist nicht geplant, noch mal einen der ehemals 13 bei Diogenes erschienenen Romane von Jim Thompson wieder auf den Markt zu bringen. Geschweige denn einen seiner neun Kriminalromane, die noch von gar keinem Verlag ins Deutsche übersetzt wurden. Und so wiederholt sich mehr als 30 Jahre nach Jim Thompsons Tod ein altes Lied zum wiederholten Mal. Hoch gelobt von den Kritikern und vielen Autorenkollegen, mit Kultstatus bei seinen Fans, verlegt in einem Haus, das sich der Klassikerpflege verpflichtet fühlt, ist trotzdem weniger als die Hälfte seines Werkes ins Deutsche übersetzt, geschweige denn lieferbar. Natürlich hat der Verlag wirtschaftliche Aspekte in den Vordergrund zu setzen, aber nichts für einen Autor zu tun, und dann zu jammern, dass die Verkäufe schwach seien, ist mehr als halbherzig. Große Namen wie Chandler und Highsmith sind natürlich automatisch leichter unter die Leute zu bringen, da sie auch den breiteren Geschmack ansprechen. Somit erinnert die jetzige Herausgabe der vier Romane an einen Flohmarkthändler der ungern früh aufsteht, und deswegen die Schätze seines Kellers mürrisch und lieblos aufbaut, um sich dann über den schlechten Verkauf zu beklagen.

Qualitativ gute (aber eben auch nicht mehr) Bücher, wie die Parker-Romane von Richard Stark beim Zsolnay Verlag zeigen gerade, dass sie mit entsprechender Präsentation zu einem ordentlichen Erfolg werden können. Getaway ist im Vergleich viel wuchtiger und kompromissloser, unter anderem, da kein Zwang zur Serie bestand.

Mittelmäßiger Schrott wird seit Jahren vor allem aus dem englischen Sprachraum übersetzt (mit Erfolg), sobald psychopathische Serienmörder, seelische Abgründe oder sexuelle Ritualmorde auf dem Klappentext erwähnt werden. Wie das Böse viel bedrohlicher dargestellt werden kann, zeigt Der Mörder in mir. Schnörkellos, auf jedweden effektheischenden Unsinn verzichtend, kann man den Roman als das essentielle Werk von Thompson ansehen.

Nichtsdestotrotz sind die vier Romane von Jim Thompson als Gesamtpaket eine der ganz großen Leseempfehlungen dieses Sommers. Zum Entdecken genauso wie zum wiederholten Lesen. Kaum jemand verstand es, das alltägliche Böse so einfach und glaubhaft und wieder erkennbar in seine Romane einzubinden. Verlierer, schmierige Gauner, korrupte Polizisten und kleine Menschen mit großen Träumen bilden die Bevölkerung in der Romanwelt des Jim Thompson. Um die heutigen Auswüchse der Kriminalliteratur besser beurteilen zu können, muss man die Wurzeln ebendieser kennen. Auf diesem Pfad gibt es kaum bessere Wegzehrung als das Werk von Jim Thompson.

Christian Koch

Bibliografie:Jim Thompson: Der Mörder in mir (The Killer Inside Me, 1952). Roman.
Deutsch von Ute Tanner und Ulrich Wasel.
Zürich: Diogenes Verlag 2009. 234 Seiten. 8,90 Euro.

Jim Thompson: Getaway (The Getaway, 1958). Roman.
Deutsch von Günther Panske und Klaus Timmermann.
Zürich: Diogenes Verlag 2009. 220 Seiten. 8,90 Euro.

Jim Thompson: Muttersöhnchen (The Grifters, 1963). Roman.
Deutsch von Andre Simonoviescz.
Zürich: Diogenes Verlag 2009. 229 Seiten. 8,90 Euro.

Jim Thompson: Zwölfhundertachtzig schwarze Seelen (Pop. 1280, O-Jahr 1964). Roman.
Deutsch von E.R. von Schwarze und Andre Simonoviescz.
Zürich: Diogenes Verlag 2009. 252 Seiten. 8,90 Euro.

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