Tu felix Britannia
Eine Gruselgeschichte mit Mutter. Joachim Feldmann winkt ab.
Nicht mehr zu überblicken ist die Anzahl dilettantischer Versuche, dem eh schon abgeschmackten Sub-Genre des Ritualmord-Thrillers weitere Varianten hinzuzufügen. Ein besonders abschreckendes Beispiel kommt dieser Tage aus England zu uns. Jo Powell, studierte Juristin, Literaturwissenschaftlerin, Journalistin und – man lese und staune – gelegentliche Dozentin für kreatives Schreiben, hat einen Roman verfasst, dem man seine klischeegetränkte Figurenkonstellation noch verzeihen würde, besäße er wenigstens ein Fünkchen Spannung.
Doch leider hat sich die Autorin entschieden, ihre Gruselgeschichte um eine Mordserie an esoterisch angehauchten Frauen auf eine Weise zu erzählen, die es auch dem unaufmerksamsten Leser möglich macht, bereits nach weniger als 80 von immerhin 447 Seiten den Täter zu identifizieren. Dieser darf nämlich immer wieder direkt zum Leser sprechen, und da es sich um ein ausgesprochen großmäuliges Exemplar der Gattung handelt, sind diese Passagen alles andere als ein Vergnügen. „Ich bin auserwählt. Nach der letzten Nacht werde ich es nie wieder bezweifeln“, lässt er uns nach seinem dritten Mord wissen. Und irgendwann erfahren wir auch, was ihn zu seinen Taten treibt. Wie vermutet, liegt die Ursache in seiner Kindheit. Und schuld ist die Mutter. Wie sollte es auch anders sein?
Die Blutkammer heißt im Original The Drop Room. Allein, wer nach der englischen Ausgabe fahndet, um zu überprüfen, ob der hölzerne Stil des Buches der Übersetzung geschuldet ist, wird enttäuscht. In ihrer Heimat hat die Autorin offenbar noch keinen Verlag für ihr Romandebüt gefunden. Glückliches Britannien!
Joachim Feldmann
Jo Powell: Die Blutkammer (The Drop Room). Roman.
Aus dem Englischen von Rasha Khayat.
Reinbek: rororo 2009. 447 Seiten. 8,95 Euro.