Gejagt von den Blackwater-Killern
– Joakims Zanders „Der Schwimmer“ ist ein hochbrisanter schwedischer Politthriller, der die Exzesse amerikanischer „Beraterfirmen“ thematisiert, die für die US-Regierung die blutige Drecksarbeit im Kampf gegen den Terrorismus übernehmen. Und jeden gnadenlos jagen, der an Belastungsmaterial über ihre Folterpraktiken und grauenvolle Exekutionen im Nahen Osten gerät. Eine Rezension von Peter Münder.
Der junge schwedische Lobbyist George hat in Brüssel einen lukrativen Job bei Merchant & Taylor und genießt den hedonistischen Lifestyle mit dickem Auto, flotten Mädels und der gelegentlichen Kokserei. Als er dann vom brutalen, unberechenbaren Digital-Solutions-Chef Reiper den Auftrag erhält, einen Hacker-Angriff auf den PC der jungen EU-Referentin Klara zu ermöglichen, merkt er viel zu spät, dass er in eine böse Falle getappt ist: Die US-Firma will die geheimen Daten aufspüren, die Klaras Bekannter, der angeblich flüchtige Terrorist Mahmoud, gestohlen haben soll. So war Klara ins Visier der Berater von Digital Solutions geraten. George ahnt zwar, dass diese hochgerüstete Truppe skrupellos gegen alle Verdächtigen vorgeht – aber er kann sich nicht weigern, den Auftrag auszuführen, weil er mit seiner ziemlich dubiosen Vorgeschichte belastet und erpressbar ist. Die Jagd nach Mahmout involviert auch Klara, die ihrem ehemaligen Studienfreund helfen will. Und sie führt den Schwimmer – einen in Ungnade gefallenen, früher in Damaskus eingesetzten CIA Agenten – schließlich dazu, Kontakt zu Klara aufzunehmen, mit der ihn viel verbindet.
Modell Blackwater
Joakim Zander, 39, stammt aus Stockholm, verbrachte seine Jugend aber hauptsächlich in Damaskus und Israel, wo sein Vater einen Job als UN-Experte ausübte. Er war Austauschschüler in den USA, studierte Jura in Maastricht und arbeitete als EU-Beamter in Brüssel. Er liefert geschickt die Bürokraten-Interna, die den Hintergrund für den Plot bilden, wechselt aber die Schauplätze flott zwischen Damaskus, Langley, Stockholm, Paris, Amsterdam, Washington und Afghanistan. Vom „cinematografischen Erzählstil“ spricht Zanders Agentur, was vielleicht auch erklärt, dass schon kurz nach Erscheinen des Thrillers die internationalen Rechte in 28 Länder verkauft wurden – wohl auch in Erwartung eines verfilmten „Schwimmer“-Blockbusters.
Man kann jedenfalls ziemlich sicher sein, dass sich bekannte Filmproduzenten für diesen Roman stark interessieren: Denn es geht hier eben nicht um einen Mankell-Imitator mit irrem schwedischen Serienkiller aus der Provinz, der von einem lethargisch-depressiven Kommissar verfolgt wird, sondern um die Machenschaften eines gut eingespielten Apparats von Politikern, Geheimdiensten und im Stil von „Blackwater“ frei operierenden Beratern, die militanten Gruppierungen im Kampf gegen den Terror erst alles Mögliche versprechen und dann schnell einen Rückzieher machen, wenn die geplanten Szenarien sich völlig anders entwickeln und die Krisen nicht mehr beherrschbar sind.
Subunternehmen des Grauens
Beim Gespräch in Hamburg stellt der sympathische, mit wunderbarem Sinn für Humor ausgestattete Autor klar, dass er beim Schreiben keineswegs schon an ein Drehbuch dachte: „Die schnellen Schauplatzwechsel, auch die vielen Figuren können den Leser ja leicht überfordern, daher hatte ich dann kürzere Kapitel mit mehreren Schnitten fabriziert, als ich merkte, dass man sonst am Kapitelende die wichtigsten Aspekte vielleicht aus dem Blick verliert.“
Der EU-Jurist Zander kam in Brüssel auf die Idee, die undurchsichtigen Aspekte der Lobbyarbeit mal genauer unter die Lupe zu nehmen. „Die Lobbyisten heuern Top-Wissenschaftler für Vortragsreihen an, sie agieren meistens unbeachtet und unkontrolliert hinter den Kulissen, man trifft sie einfach überall und sie arbeiten auch an schmutzigen Deals im Regierungsauftrag. Da fing ich dann an, mich mit solchen Firmen wie etwa ‚Blackwater‘ zu beschäftigen, die ja als verlängerter Arm des US-Militärs Operationen durchführen können, die offiziell gar nicht existieren und angeblich nie durchgeführt wurden.“
Er kritisiert die wahnwitzigen Entscheidungen der Bush-Administration, die den Irak-Krieg und Saddams Entmachtung rechtfertigen sollten und für den „War on Terror“ instrumentalisiert wurden. Und Zander hat auch genau das umfangreiche Dossier „Secret America“ der Washington Post analysiert, in dem viele der geheimen Gräueltaten von Blackwater & Co. Aufgelistet wurden: „Es waren Tausende und es schien kein Ende zu nehmen – einfach unglaublich, wie mit Hilfe solcher Subunternehmen des Grauens alles so bequem vertuscht werden konnte.“

Europäische Kommission (wikimedia commons 2.0/Amio Cajander/Quelle)
Zu viele Männer
Der Star-Jurist Zander hat seine Dissertation über „The Application of the Precautionary Principle in Practice“ bei der Cambridge University Press veröffentlicht. Was ihm aber mindestens ebenso bedeutend erscheint, ist seine Jugendlektüre oder der Ratgeber von Stephen King für angehende Autoren, den er mit großem Interesse las: „Ich wollte ja schon als Kind Autor werden und las daher wie ein Süchtiger alle ‚Fünf Freunde‘-Romane von Enid Blyton, da war es dann ja meistens auch so, dass im Hintergrund kurz vor dem Happy End schon die dampfende Tasse Tee mit Scones bereit stand.“ Das erklärt Zander lächelnd, als ich ihn nach dem kitschig anmutenden Happy Christmas-Schluss in der schwedischen Heile-Welt-Idylle mit Großmutter, Zimtwecken und Schneeflocken befrage. „Und Stephen King hat mir enorm geholfen“, erklärt er: „An seinen Rat, täglich ein bestimmtes Schreibpensum zu erfüllen und regelmäßig zu schreiben, halte ich mich mit meinen tausend Wörtern pro Tag penibel. Ich schreibe ja schon längst am zweiten Band und plane auch bereits den dritten. Und wenn ich tagsüber zu wenig schreiben kann, mache ich einfach nachts weiter.“
Joakim Zander geht es ja nicht nur um die knallharte Action; er beschreibt auch, mit welch dreister Unbedarftheit der amerikanische militärisch-politische Apparat im Nahen Osten vorgeht, ohne sich um ein geeignetes Krisen-Management zu kümmern. Und dass die Dienste auch ihre eigenen Leute umlegen wollen, wenn diese ihren Planspielen in die Quere kommen. Dass seine Romanheldin, die junge Brüsseler EU-Referentin Klara nun von frauenbewegten Feministinnen als mutige Heldin für ihre Sache beansprucht wird, findet er völlig in Ordnung: „Es gibt doch in all diesen Krimis und Thrillern – egal ob es nun um Len Deighton, MacLean oder John le Carre geht – immer viel zu viele Männer.“
Selbstironie
Jedenfalls mischt Joakim Zander mit seinem intelligenten, packendem Plot, dem melancholischen Geheimagenten und Schwimmer, der dynamischen EU-Bürokratin Klara und dem in der Falle steckenden Lobbyisten George die Krimiszene gehörig auf. Auch wenn man als Leser glaubt, zum weihnachtlichen Bullerbü-Szenario nach dem blutigen Showdown beim rieselnden Schnee hinter den Butzenscheiben die klingelnden Schlitten-Glocken von „Rudolph the rednosed reindeer“ zu hören. Aber das gehört wohl einfach zur selbstironischen Attitüde dieses faszinierenden Autors, auf dessen nächsten Band ich jedenfalls sehr gespannt bin.
Peter Münder
Joakim Zander: Der Schwimmer (Simmaren, 2013). Roman. Aus dem Schwedischen von Ursel Allenstein und Nina Hoyer. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Polaris 2014. 432 Seiten. 14,99 Euro. Verlagsinformationen zu Buch und Autor.