Geschrieben am 17. August 2009 von für Bücher, Litmag

Katharina Bendixen: Der Whiskyflaschenbaum

Communication Breakdown

Fast alle der 21 Storys kreisen um zerbrechende oder bereits zerstörte Familienstrukturen und um die Aufgabe jeglicher Kommunikation. Wenn geredet wird, dann zumeist aneinander vorbei. Von Frank Schorneck

Im Jahr 2008 hat sich aus den Wurzeln des Internet-Portals poetenladen.de der Poetenladen-Verlag entwickelt, ein ambitionierter Verlag, dessen Arbeit man im Auge behalten sollte. Der Erzählband von Katharina Bendixen zählt mit Sicherheit zu den interessantesten Debüts des Frühjahrs. Beobachtern der Szene wird Katharina Bendixen bereits mit Texten in Magazinen wie Am Erker, entwürfe, Lichtungen oder Macondo aufgefallen sein, zu ihren aktuellen Auszeichnungen zählt der Würth-Literaturpreis 2008.

Ihr Stil ist sehr knapp, reduziert, geprägt von trockenstem Humor und einer Vorliebe für absurde und skurrile Wendungen. Katharina Bendixen benötigt kaum Adjektive für Beschreibungen. Sie lässt die Leerzeichen sprechen, das Ungesagte zwischen den Zeilen aufblitzen.

In ihren Geschichten, in denen sie ihren grundsätzlich namenlosen Protagonisten zumeist übel mitspielt, liegt die Perspektive oft nur einen Grad neben der Spur des Normalen. Viel wird in ihnen gestorben – selten auf natürliche Weise. Und wer nicht den physischen Tod findet, mag unter Umständen psychisch oder auch emotional schon längst verschieden sein. Nur vereinzelt bietet sich eine Lesart einer Story recht offenkundig an, wenn etwa die demente Großmutter sich fragt, wer die fremden Leute in ihrer Wohnung sind und warum diese ständig alles um- und wegräumen. Bendixen greift in solchen Momenten sowohl das Sujet der Einsamkeit der alten Frau auf als auch das der Gleichgültigkeit ihrer Angehörigen. Hier kann niemand das Richtige tun. Andere Geschichten wiederum, wie zum Beispiel die, in der ein Haus von Babys geradezu wörtlich überschwemmt wird, erinnern an eine Mischung aus Daniil Charms und Eugen Egner.

Fast alle der 21 Storys kreisen um zerbrechende oder bereits zerstörte Familienstrukturen und um die Aufgabe jeglicher Kommunikation. Wenn geredet wird, dann zumeist aneinander vorbei. So ist der Whiskyflaschenbaum in der titelgebenden Geschichte weit mehr als nur eine erwachsene Version des Langstrumpfschen Limonadenbaums. In surrealen Bildern zeigt Bendixen hier, wie Alkoholismus ganz real eine Familie zerstören kann. Auch globalisierte Märkte und Fremdenfeindlichkeit schlagen sich in den Geschichten nieder, ohne dass sich eine Moral aufdrängt. Katharina Bendixen schreibt keine Wohlfühlprosa: Geschichten wie „Die Sache mit dem Teppich“, die aus der Sicht einer hoffnungslos überforderten Alleinerziehenden geschrieben ist, oder „Ein Hamster schlägt gegen die Wand“, die den schmalen Grat zur Gewalteskalation thematisiert, dürften auch hartgesottenen Lesern an die Nieren gehen. Diese Geschichten hallen nach.

Frank Schorneck

Katharina Bendixen: Der Whiskyflaschenbaum.
Poetenladen 2009. 132 Seiten. 15,80 Euro.