Geschrieben am 17. April 2010 von für Bücher, Crimemag

Ken Bruen: Jack Taylor liegt falsch

Kriminelles Wachkoma

Wie viel Pullen Paddys hatte Ken Bruen intus, als er den geschasten Polizisten Jack Taylor zum Leben erweckte und seine trunkenen Streifzüge durch Galway literarisch ebnete? Ein, zwei oder vielleicht drei Dutzend Flaschen. Wir wissen es nicht, ahnen es aber. Sein zugekokster Titelheld jedenfalls befindet sich im permanenten Dauersuff. Ein Wunder, dass der im Wachkoma ermittelnde Privatdetektiv überhaupt noch Aufträge erhält, geschweige denn die Fälle auch noch löst. Das erwarten weder die Fans von Jack Taylor noch sein Schöpfer. Dass der gegen alle Konventionen rebellierende Protagonist nicht nur in diesem Roman falsch liegt, versteht sich fast schon von selbst. Es ist ein unverzichtbarer Baustein in Bruens dramaturgischen Textgebäude. Jörg von Bilavsky ist ein Aficionado.

Wenn Jack Taylor für die brutalen Morde an mehreren Landfahrern den vermutlich Falschen verantwortlich macht und bluten lässt, verwundert das kaum. Gewiss, vieles spricht zunächst für den psychopathischen Sozialarbeiter, der die auch bei den Einheimischen unbeliebten Nomaden ins Visier genommen und getötet haben soll. Wie immer ist das Naheliegende am Ende das am weitesten Entfernte. Oftmals sind es dann doch eher die Introvertierten und Intelligenten, die sich auf barbarische Weise an irgendwem oder irgendetwas rächen. So tappt der unkonzentrierte, zudem von einer unverstandenen Ehefrau und den privaten Problemen seiner besten Freunde abgelenkte Schluckspecht von einem blutigen Fettnäpfchen ins nächste.

Der einzige Erfolg, den er zwischenzeitlich verbuchen darf, ist die Aufklärung eines noch komischeren Falls. Dass er einen Schwanenkiller dingfest macht, ist aber auch mehr dem Zufall als seinem scharfen Verstand zu verdanken. Wie heißt es so treffend aus dem Munde eines mit ihm befreundeten englischen Polizisten: „Dies ist ein seltsames Land, und du, Jack, bist vielleicht sein seltsamster Bewohner.“

Also stören wir uns nicht an den Missgeschicken und Fehltritten von Jack und erkennen sie als seine Markenzeichen an. Schließlich will uns Bruen als promovierter Metaphysiker nicht in die Kunst der Kriminalistik einführen, sondern den seltsamen Irrwegen der irischen Seele nachspüren. Deswegen heißt es auch einmal ganz symptomatisch: „Beweise sind stark überbewertet“. Weswegen sie bis zum bitteren Ende auch nicht viel zählen. Was in Bruens Romanen zählt, ist nicht allein die Unberechenbarkeit der Täter, sondern vor allem die Unberechenbarkeit des Ermittlers. Und so warten auch in Bruens drittem, bald auf Deutsch vorliegenden Roman „Jack Taylor schmiert ab“ viele unbekannte Variabeln auf uns. Nur mit einem ist jetzt schon sicher zu rechnen: mit Jack Taylors Scheitern.

Jörg von Bilavsky

Ken Bruen: Jack Taylor liegt falsch (The Killing of The Tinkers, 2002). Aus dem Englischen von Harry Rowohlt. Zürich: Atrium Verlag 2010. 240 Seiten. 16 Euro.
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